4. März 1922 Murnaus "Nosferatu" uraufgeführt
Nosferatu war ein Sauger von grauenerregender Größe, ein Meister des Vampirgeschäfts. Am 4. März 1922 hatte ihn Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau in Berlin auf das Publikum losgelassen.
04. März
Dienstag, 04. März 2014
Autor(in): Susi Weichselbaumer
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Modernen Vampiren fehlt der Biss. Bestes Beispiel: Die Bücher und Verfilmungen der "Twilight-Saga". Fünf Teile braucht es da - angefangen beim Titel "Bis(s) zum Morgengrauen", bis der hoch attraktive und herzensgute Vampir Edward Cullen die sterbliche, wenngleich unsterblich verliebte Schülerin Bella Swan zur Mitvampirin macht. Familie Cullen ernährt sich fürderhin gesellschaftskonform von Blutkonserven und ist reichlich leblos, im Sinne von todlangweilig. Weil ungruselig.
Früher fürchtete man sich besser. In Schwarz-Weiß. Die Stummfilmmusik sägt an den Nerven. Langsam gleitet der Schatten am Körper der schockstarren Frau empor. Über ihren Bauch, ihre Brust, hinauf zu ihrem Hals. Dunkle Umrisse langer, dürrer Finger. Sie weiß, Graf Orlok ist ihr Schicksal. Der Vampir aus den Karpaten, der sie liebt - sie ihn nicht.
Geschichte voller Missverständnisse
Ein Fehler. Überhaupt ist die Geschichte des berühmtesten Blutsaugers des deutschen Films eine Geschichte voller Missverständnisse. Premiere feiert "Nosferatu - eine Symphonie des Grauens" am 4. März 1922 im Marmorsaal des Zoologischen Gartens in Berlin. Auf den Einladungskarten wird um ein Erscheinen im Biedermeierkostüm gebeten. Manche Gäste rechnen entsprechend mit Romantik und verzählen sich. Genauso wie die Zuschauer, die aus Werbeartikeln und Programmhinweisen schlussfolgern, es gehe um die Verfilmung des Romans "Dracula" des irischen Autors Bram Stocker. Den kennen sie, und was man kennt, macht bekanntlich keine Angst.
Graf Orlok schon. Regisseur und Drehbuchautor Friedrich Wilhelm Murnau hat Bram Stockers Klassiker frei adaptiert. Und daraus einen der ersten - ernsthaft grusligen - Horrorfilme kreiert. Mit grotesken Kamerafahrten, schnellen Schnitten, unendlich langsamen Schattenspielen. Der junge Maklergehilfe Hutter reist nach Transsilvanien, ein dort ansässiger Edelmann sucht eine Dependance in der deutschen Hafenstadt Wisborg.
Warnungen der örtlichen Bevölkerung schlägt der aufstrebende Immobilienmann aus und gelangt schließlich mutterseelenallein in den finsteren Wald zu Orloks düsterem Schloss. Der Hausherr, hager, kahlköpfig und sehr interessiert an seinem Gast, als der sich beim Abendbrot aus Versehen mit dem Messer in den Finger schneidet - unterschreibt am nächsten Tag den Kaufvertrag. In einem Medaillon hat er das Bild von der Verlobten von Hutter gesehen, Ellen, in Wisborg. Dorthin zieht auch Orlok. Sofort. Per Schiff. Samt Sarg und ein paar Ratten im Gepäck erreicht er Wisborg. In der Stadt bricht die Pest aus. Hutter hat es inzwischen auch zurück geschafft. Mit Ellen liest er im "Buch der Vampire": Nur eine Frau reinen Herzens kann den Vampir aufhalten, indem sie ihm aus freiem Willen von ihrem Blut zu trinken gibt und er so den ersten Hahnenschrei vergisst.
Pest am Ende, Ellen leider auch
Das ist dann auch das Ende. Ellen lässt Orlok zubeißen. Der erste Hahn kräht, die Sonne geht auf, das Monster zerfällt zu Asche. Oh Wunder: Die Pest ist damit besiegt. Ach Trauer: Ellen ist nicht mehr am Leben.
Doch Wirrnis die Folgegeschichte: Bram Stockers Witwe, die Frau des Autors von "Dracula", klagt. Der Urheberrechtsstreit wird zu ihren Gunsten entschieden. 1925 sollen sämtliche Kopien von "Nosferatu" vernichtet werden. Einige Schnittversionen überleben im Ausland. Heute sind sie zu haben in restaurierten Fassungen voll Spannung, Angst, Pein und doch Mitgefühl für den Untoten, der lieben will und nicht kann. Weil Orlok ja echter Vampir ist. Nicht wie Edward und Bella Cullen aus der "Twilight Saga", die so schön sind und romantisch und sich von Blutkonserven ernähren, weil damit gut Freund mit allen Menschen. Den heutigen Vampiren fehlt der Biss.