4. Mai 1833 "Pfennig-Magazin" erscheint, erste deutsche Illustrierte
Dem geneigten Leser das Leben bildhaft erklären - das denken sich die Macher des "Pfennig-Magazins" und bringen die erste deutsche Illustrierte auf den Markt. Die ist allerdings nur bedingt unterhaltsam. Autorin: Prisca Straub
04. Mai
Mittwoch, 04. Mai 2016
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Das "Reich des Wissens" sei "unermesslich", stellt die neue Illustrierte salbungsvoll fest: Doch das "Unermessliche" passt auf acht eng bedruckte Zeitungsseiten und erscheint jeden Samstag neu. Adressiert? "An jeden", verspricht das "Pfennig-Magazin" in seiner Erstausgabe vom 4. Mai 1833. Und: Man wolle aus "Vergangenheit und Gegenwart, Himmel und Erde, Land und Meer" das "Nützlichste und Neueste dem freundlichen Leser vorführen."
Neues für freundliche Lesende
Das in Leipzig erscheinende "Pfennig-Magazin" ist eine augenfällige Novität. Es ist das erste Massenblatt auf dem deutschen Verlagsmarkt, das auf Illustrationen setzt: Landkarten, historische Gebäude, seltene Pflanzen - in detailgenauen Holzstichen für hohe Auflagen von 100.000 Druck-Exemplaren. Auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe recken sich die Minarette der Blauen Moschee in den Himmel von Konstantinopel - "sechs zarte Spitzen", rühmt das Blatt - "sehr hoch".
Der unmittelbare Erfolg der neuen Illustrierten bewies, dass der Chefredakteur auf das richtige Pferd gesetzt hatte: "Erklärende Abbildungen", so Johann Jakob Weber, seien wegweisend - und "das schönste Geschenk, das man seinem Jahrhundert machen kann". Die Idee dazu hatte er aus Paris und London mitgebracht, wo das kurz zuvor gegründete "Penny Magazine" und das "Magasin pittoresque" bereits tonangebend waren - als erste europäische Bild-Zeitungen sozusagen.
Bitte mit Bild
Nun verstand sich Webers "Pfennig-Magazin" beileibe nicht nur als "schönes Geschenk". Es war in seiner unverfänglichen Verpackung auch ganz bewusst völlig unpolitisch! Und das gerade jetzt: Vor kurzem war die Julirevolution in Frankreich im Keim erstickt worden und auch in Deutschland brodelte es gefährlich.
Doch gesellschaftskritische Berichterstattung im "Pfennig-Magazin"? Fehlanzeige! Das Presserecht im Deutschen Bund war streng und die Zensur äußerst wachsam. Dass in Frankfurt vor wenigen Wochen versucht worden war, die Polizeiwachen zu stürmen - es hatte sogar Tote gegeben - das war der Erstausgabe keine Zeile wert. Stattdessen - eine Auflistung "trefflicher Lebensregeln": "Wozu Ordnung und Pünktlichkeit verhelfen" - und der Ratschlag: "Man schlafe weniger, stehe früher auf und arbeite rüstiger."
Als es 1834, im zweiten Jahr des Erscheinens, wieder Tote bei Aufständen gibt - dieses Mal streiken in Frankreich die Seidenweber - wird es immer schwieriger, nicht politisch zu sein. Doch das "Pfennig-Magazin" nimmt seine Leser mit zum Walfischfang - und veranschaulicht die Funktionsweise der Taucherglocke.
Gut 20 Jahre später ist dann Schluss mit dem "Pfennig-Magazin". 1855 erscheint die erste deutsche Illustrierte zum letzten Mal: Der Augenblick sei gekommen, wo es besser sei, "sich vom Schauplatz zurückzuziehen", heißt es bedauernd. Der Grund dafür war übrigens nicht die noch lange allgegenwärtige Zensur, sondern: Die Leser hatten es einfach satt, über die Mechanik von Flaschenzügen belehrt zu werden. Sie wollten endlich etwas Amüsantes - ein bisschen Unterhaltung.