Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. November 1932 Mussolini übergibt einen riesigen Obelisken

Er ist der größte Stein, den Menschen im 20. Jahrhundert aus einem Berg gesägt haben: der Mussolini-Obelisk. Am 4. November 1932 wird er feierlich eingeweiht. Mussolini hofft mit dem Riesen ein Ausrufezeichen hinter seine Bewerbung um die Olympischen Spiele 1940 zu setzen.

Stand: 04.11.2010 | Archiv

4. November 1932: Mussolini übergibt einen riesigen Obelisken

04 November

Donnerstag, 04. November 2010

Autor(in): Thomas Morawetz

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Ein italienischer Schwarz-Weiß-Film von 1932. Erste Szene: ein Steinbruch. Dutzende Arbeiter hängen an enormen Seilwinden und ringen mit einem riesigen Steinblock. Der ist eingerüstet in ein massives Holzgerüst. Alles ist gewaltig, auch die Musik dazu. Sie fährt in den Magen wie eine Faust, irgendwie denkt man sofort an das alte Ägypten. Und tatsächlich - der enorme Steinblock ist ein Obelisk. Aber der Film ist kein monumentaler Bibelschinken, sondern ein Propagandafilm für Mussolini. Der Steinbruch liegt bei Carrara, und den Obelisken lässt der Duce gerade nach Rom schaffen.

Unter der donnernden Musik ziehen 36 Ochsenpaare den Koloss kilometerweit Richtung Meer. Auf Rollbalken. 70.000 Liter Schmierseife halten das Holz  geschmeidig. Dann endlich der Hafen. Der Koloss wird auf ein Lastschiff verladen. Neben ihm tanzen die Begleitboote dramatisch auf den Wellen.

Im Film fällt nicht ein einziges Mal das Wort "Obelisk", und das wäre wohl auch zu gewöhnlich für Rom. Dort gibt es immerhin schon eine ganze Menge Obelisken, echte, ägyptische, alle schon vor langer Zeit geklaut. Aber dieser hier, der Obelisk des Duce, ist nichts weniger als der größte von Menschen hergestellte Stein des 20. Jahrhunderts. Knapp 300 Tonnen schwer, 17 Meter 40 hoch, also fast so hoch wie sechs Dreimeterbretter im Schwimmbad übereinander. Il Monolite sagt der Sprecher ehrfürchtig. Der Monolith.

Inzwischen fährt der Schiffszug den Tiber hinauf nach Rom. An der Engelsbrücke vorbei bis in den Norden der Stadt. Hier ist Endstation. An einer riesigen Rampe wird der Monolith aufgerichtet. Dann steht er da. In monumentalen Buchstaben prangt von oben nach unten golden der Schriftzug: MVSSOLINI DVX, lateinisch für "Mussolini, der Führer". Am 4. November 1932 weiht ihn Mussolini ein, am selben Tag feiert die Stadt das Zehnjahresjubiläum von seinem Marsch auf Rom. Seit damals ist der Faschistenführer der Regierungschef Italiens.

Doch der Monolith ist vor allem ein Fingerzeig Richtung Ausland. Mussolini will die Olympischen Sommerspiele 1940 nach Rom holen, und der Obelisk steht in der Mitte eines nagelneuen Platzes, dem Mussolini-Forum. Von hier aus sollen in ein paar Jahren die Besucher weiterströmen in die ebenfalls völlig neu angelegte Welt des Sports, in opulente Stadien und Sporthallen. Alle Sportarten haben hier ihren Platz. Na ja, fast alle, bis auf das Radfahren, das hält der Duce für kommunistisch.

Soviel Mühe! Und dennoch wird sich Mussolini mit Olympia 1940 verheben. Die internationale Gemeinschaft zeigt ihm die Rote Karte wegen seiner imperialistischen Politik. Und trotzdem! Trotzdem werden der Obelisk und das Mussolini-Forum ihre Spiele noch erleben. Nach dem Zweiten Weltkrieg. Und zwar 1960. Inzwischen heißt das Forum freilich anders: Foro Italico. Und dann 1990: Jetzt pilgern die Fußballfans am Obelisken vorbei zum Endspiel der Weltmeisterschaft. Deutschland-Argentinien, gewonnen hat Franz Beckenbauer.

Spätestens aber, als 2009 auch noch die Schwimmweltmeisterschaften nach Rom kommen, beginnen einige Gäste sich doch zu wundern. Vor kurzem wurde der Platz samt Obelisken teuer renoviert. Und jetzt fällt es endlich auf: Die Monumentalinschrift auf dem Obelisken - Mussolini Dux. Nachts auch noch angeleuchtet. Und drum rum: Die Mosaiken auf dem Platz verkünden in munteren Wortkolonnen: Duce, Duce, Duce, Duce und so weiter. Die kritische internationale Presse fragt die Römer: Ist das euer Ernst? Doch die Römer sehen es gelassen. Im Kolosseum, sagen sie gerne, wurden die Leute früher sogar am Fließband umgebracht, und das will heute auch noch jeder sehen. Und außerdem: Verrückte Kaiser hat die Stadt bisher noch alle überstanden.


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