7. Januar 1990 Schiefer Turm von Pisa gesperrt
Schon 1178, gleich nach den ersten vier Stockwerken, geriet der Turm von Pisa in Schräglage. Trotzdem wurde munter weitergebaut. Am 7. Januar 1990 hieß es dann doch noch am Turm: "Geschlossen". Autorin: Susanne Tölke
07. Januar
Donnerstag, 07. Januar 2016
Autor(in): Susanne Tölke
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Was auf Sand gebaut ist, so lehrt uns schon die Bibel, kann nicht von Dauer sein. So gesehen, ist es ein Wunder, dass der Schiefe Turm von Pisa immer noch steht. Den ersten Rutscher tat er schon im Jahr 1178, als vier Stockwerke gerade fertig gestellt waren. Der Architekt Bonnani forschte nach und stellte fest, was er vor Baubeginn auch schon hätte herausfinden können: Der Erdboden unter dem Schiefen Turm besteht aus verschiedenen Ton - und Sandschichten und wird ständig von Wasser durchspült. Immerhin - wenn ein gehöriger Druck von oben auf die Erde einwirkt, kann sie sich verfestigen und dann doch noch einen brauchbaren Baugrund abgeben.
Der Turm kippt
Die Pisaner warteten erstmal hundert Jahre, dann setzten sie die nächsten zwei Stockwerke drauf. Wieder gab´s eine gefährliche Neigung, wieder musste gewartet werden. 1370 schließlich riskierte man es ein drittes Mal, begnügte sich aber mit 58 Metern Höhe statt der ursprünglich geplanten 100 Meter.
Nun ging es die nächsten 620 Jahre gut, aber am 7. Januar 1990 mussten die schweren Holztüren mit den alten eisernen Schlüsseln zugesperrt werden. Professor Gero Geri von der Universität Pisa, der sich sein Lebtag mit nichts anderem beschäftigte als mit dem Turm, hatte nämlich erklärt, er könne sich gar nicht erklären, warum das Bauwerk überhaupt noch stünde. Das allein wäre nun an und für sich in Italien kein zwingender Grund zum Handeln, doch hier standen die jährlichen Einnahmen von fünf Millionen Besuchern auf dem Spiel. Bürgermeister Giacomino Granchi verkündete also die Schließung des Turms, nicht ohne vollmundig zu verkünden, dass das Problem in drei Monaten gelöst sein werde.
Ein bisschen länger hat es dann aber doch gedauert, nämlich volle zehn Jahre. Zuerst musste akribisch vermessen werden. Viereinhalb Meter war der Turm aus der Senkrechten gekippt - wirklich ein Wunder, dass er überhaupt noch stand.
Eine Expertenkommission wurde gegründet, um die aus der Welt eingegangenen Vorschläge zu seiner Rettung zu sichten.
Die Mafia droht
Sollte man ein hydraulisches System einbauen, sollte man den Turm an Heißluftballons aufhängen oder sollte man ihn einfach Stein für Stein woanders aufbauen? Ein japanischer Techniker war sich sogar sicher, den Turm allein mit spiritueller Meditation wieder aufrichten zu können.
Am Ende entschloss man sich dazu, unter der Nordseite Erdreich abzutragen. Jahrelang wurde mit größter Vorsicht und in kleinen Schritten gebaggert, der Turm selbst mit tonnenschweren Drahtseilen gesichert. Täglich wurde der Patient beobachtet und vermessen. 120 Sensoren meldeten jede seiner Bewegungen. Als er sich um vierzig Zentimeter aufgerichtet hatte, stellten die Ingenieure ihre Arbeit ein. Der Turm hat jetzt dieselbe Schieflage wie im Jahr 1750, und das reicht aus, um ihn vor dem Umfallen zu bewahren. Zumindest für die nächsten 250 Jahre, und unter der Voraussetzung, so der Pisaner Staatsanwalt Vigna bei der Wiedereröffnung, dass die Mafia ihre regelmäßige Drohung, den Turm zu sprengen, um ihre Bosse freizupressen, eines Tages nicht doch noch wahrmacht.