10. Dezember 1897 Der Herrnhuter Weihnachtsstern wird patentiert
Polyeder basteln? Klingt nicht weihnachtlich, ist es aber, wenn ein Stern draus wird. Mathematisches Verständnis fördert er auch - nicht nur für die, die ihn verkaufen. Und notfalls ist er ein dreidimensionaler Sowjetstern. Autor: Hartmut E. Lange
10. Dezember
Donnerstag, 10. Dezember 2015
Autor(in): Hartmut E. Lange
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Was für ein zorniger Blick auf das Schulbuch! Und was für ein böser Text in der Denkblase über dem Kopf des Schülers: Mathe ist ein Arschloch!
Zu keiner Zeit hatten es Mathelehrer leicht die Schüler für ihr Fach zu begeistern. Heute empfehlen coole Pädagogen ihren Schützlingen Johann Beurich aus Radebeul: Schaut mal im Netz unter DorFuchs!
Klick, klick, klick - und schon gehen die Mundwinkel der kleinen Mathe-Hasser nach oben: Da rappt ein milchgesichtiger Student mathematische Formeln - und auf einmal versteht man diesen ganzen Quatsch aus Zahlen und Zeichen.
Der pfiffige Sachse hat zwar schon einige hunderttausend Klicks, einen Hit hat er mit seinen gesungenen Gleichungen aber noch nicht gelandet. Genau das ist einem Mathelehrer in der Lausitz gelungen, bereits vor 200 Jahren - seine Erfindung wurde ein Welthit. Hören kann man ihn nicht, aber sehen. Alle Jahre wieder, im Dezember - die Rede ist vom Herrnhuter Weihnachtsstern.
Basteln im Mathe-Unterricht
Anfang des 19. Jahrhunderts leuchtet der erste Stern aus Papier in einem Internatszimmer der Knabenschule in Niesky. Um geometrische Formen und ihre dreidimensionale Darstellung begreifbar zu machen, bastelt ein Lehrer mit seinen Schülern im Mathe-Unterricht verschiedene Polyeder - daraus entsteht dann ein Stern. Seitdem gestalten die Kinder immer am ersten Advent Sterne, einige nehmen diesen Brauch mit nach Hause, auch nach Herrnhut, dem Zentrum der Evangelisch-Lutherischen Freikirche.
Wie bei jeder Erfolgsgeschichte gibt es einen mit dem richtigen Riecher, jemand, der das ökonomische Potenzial einer Erfindung erkennt. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt Pieter Hendrik Verbeek - er besitzt eine Buch- und Papierhandlung in Herrnhut - den ersten stabilen, zusammensetzbaren Stern und meldet ihn als Patent an.
Am 10. Dezember 1897 erhält der Herrnhuter Weihnachtsstern seine Patentnummer, und Verbeek gründet die erste Stern-Manufaktur.
Durch die zahlreichen Missionsstationen der Herrnhuter Brüdergemeine wird das Symbol des Lichts von Bethlehem in die ganze Welt hinausgetragen.
Leuchtet auf der ganzen Welt
Nach 1945 wird die Stern-GmbH zum Volkseigenen Betrieb. Für DDR-Bürger ist es kaum möglich, einen Herrnhuter Stern zu kaufen, denn der größte Teil der Produktion wird als Devisenbringer in den Westen exportiert.
Mit christlichen Symbolen hatten es die Genossen ja eh nicht so. Als ein junger Soldat in einer NVA-Kaserne in der Lausitz seine Stube mit einem Herrnhuter Stern schmückt, brüllt ihn der Kompaniechef an: Das Ding kommt weg! Das ist doch der Stern von...? Wie heißt er denn noch, dieser Ort in Israel?
In weiser Voraussicht hatte der junge Wehrpflichtige die weißen Zacken rot lackiert, und er hatte seinen Hasek gelesen. Mit unschuldigem Lächeln, wie der brave Soldat Schwejk, erklärte er dem Offizier: Das ist nicht der Stern von Bethlehem, Genosse Hauptmann. Das ist der Sowjetstern, nur dreidimensional.
Diesen Monat kann man ihn wieder überall auf der Welt leuchten sehen: im Hyde Park in London, in Shopping Malls in New York und Sao Paulo, oder in der Kuppel der Dresdener Frauenkirche. Der Stern im Kanzleramt ist riesig, Sonderanfertigung!
2 Meter 50 Durchmesser.
Aber der weltgrößte Stern - was die Anzahl der Zacken betrifft - befindet sich natürlich am Entstehungsort der leuchtenden Idee, in Niesky, in der Kirche am Zinzendorfplatz - mit 145 Zacken!