Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Dezember 1905 Daniel Carasso geboren, Joghurt-Tycoon

Daniel Carasso verhalf dem Joghurt zum weltweiten Siegeszug. Seine große Entdeckung war allerdings weniger die gesunde Wirkung der Lactobazillen, sondern etwas viel Einfacheres. Am 16. Dezember 1905 wurde er geboren.

Stand: 16.12.2011 | Archiv

16. Dezember 1905: Daniel Carasso geboren, Joghurt-Tycoon

16 Dezember

Freitag, 16. Dezember 2011

Autor(in): Julia Mahnke-Devlin

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz

Die Geschichte des modernen Joghurts beginnt am 16. Dezember 1905, als ein kleiner Junge namens Daniel Carasso in Thessaloniki geboren wird. Seine Eltern sind Sepharden, Nachfahren der Juden, die im 15. Jahrhundert aus Spanien vertrieben wurden. Noch vierhundert Jahre später sprechen die Sepharden untereinander nur Spanisch. Das kommt den Carassos zugute, als sie 1916 nach Barcelona ziehen. Daniels Vater Isaac gründet hier eine Joghurtfirma. Er nennt sie Danon, zu katalanisch „kleiner Daniel“. Joghurt gilt da in Westeuropa noch lange nicht als Nahrungsmittel, sondern wird in Apotheken als Medizin für Darmbeschwerden verkauft.

Bazillen in der Bronx

Rückenwind bekommt der Joghurt von einem russischen Nobelpreisträger. Der ist Bakteriologe und hat gerade den Milchsäurebazillus in den Petrischalen seines Labors isoliert. Nun behauptet er, dass bulgarische Bauern eine so hohe Lebenserwartung hätten, weil sie mit ihrer vergorenen Milch so viele dieser Bazillen konsumierten.

Aber zurück zum kleinen Daniel, der größer wird und zum Studium nach Frankreich geht. Er studiert Betriebswirtschaft und Bakteriologie und begründet in Paris ein eigenes Joghurtunternehmen. Da bricht der Zweite Weltkrieg aus, und Daniel flieht vor den Nazis nach New York. 1941 kauft er ein winziges griechisches Familienunternehmen in der Bronx, das Joghurt herstellt. Er nennt es in der amerikanisierten Version seines katalonischen Kosenamens „Dannon“. 1947 dann fällt Daniel Carasso etwas ganz Neues, Revolutionäres ein: Er unterlegt seinen Joghurt mit einer schmalen Schicht Erdbeermarmelade.

Der entscheidende Klecks

Lag es an diesem Kleckschen Fruchtmus oder an der geschickten Vermarktungskampagne - jedenfalls schafft der Joghurt von Dannon den Durchbruch zum modernen Nahrungsmittel für den Alltagsgebrauch. 1953 geht Carasso nach Europa zurück und setzt seine Erfolgsstrategie mit der wiederbegründeten Marke „Danone“ fort, die heute Weltmarktführer der Joghurtprodukte ist.

Aus unserer heutigen Ernährung ist der Joghurt nicht mehr wegzudenken. Befreit von seiner ursprünglichen Funktion, Milch zu konservieren, hat er die ganze westliche Welt erobert: als Gesundheitsessen, Pausensnack, gefroren als gesunde Alternative zu Eiscreme, versetzt mit den absurdesten Geschmacksvarianten - von Amaretto, Cheesecake, über Marzipan-Mohn bis zu Vanillekipferl, und er wird immer noch als gesund erachtet, auch wenn ihn eine dicke Schicht Vollmilchschokolade umhüllt. Aber wer käme beim Anblick von meterlangen Kühlregalen im Supermarkt darauf, dass sich hinter dem Siegeszug des Joghurts eine jahrhundertelange Geschichte von Flucht und Vertreibung, Exil und Emigration, Ost und West verbirgt?

Daniel Carasso erreichte das gesegnete Alter von 103 Jahren. Fast so, als wollte er die lebensverlängernde Wirkung seiner Kreation an sich selbst beweisen. Er starb 2009 in Paris.

Ruhe sanft, kleiner Daniel. Wo immer dein Aufenthaltsort nun sein mag, eines ist sicher: Dass die Sterne der Milchstraße über dir scheinen, wie zahllose Lactobazillen in der Petrischale. Sie funkeln nicht, nein, sie drehen sich - mal nach links, mal nach rechts, und immer sind sie gut zu uns.


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