19. Dezember 1936 Thomas Mann wird die Ehrendoktorwürde aberkannt
1919 hatte die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Thomas Mann den Titel "Doktor honoris causa" verliehen. 1936 erkannt man ihm den Titel wieder ab – die Nationalsozialsten hatten die Führung er Universität übernommen. In einem offenen Brief kommentierte Mann diese Aktion. Autorin: Carola Zinner
19. Dezember
Donnerstag, 19. Dezember 2024
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Frank Halbach
Er hat ihn durchaus geschätzt, den kleinen Hochstapler, der tief verborgen ihn ihm steckte. Wie vornehm-würdig Thomas Mann sich auch gab, wie sorgfältig er seine Worte wählte, seitenlange Sätze drechselte, die großen Themen der Zeit aufgriff: ohne den übermütigen, phantasievollen Hasardeur in seinem Inneren wäre es nicht so gut gelungen.
Strenge Selbstzucht
Hier eben lag die "Künstlernatur", wie er selbst jenen Teil von sich nannte, mit der er die Welt zu bezaubern, verführen, zu blenden vermochte. Die es allerdings auch stets gut im Griff zu halten galt; anders wäre ihm, der es doch nicht mal zum Abitur gebracht, nie einen Beruf erlernt hatte, wohl kaum ein so grandioser Aufstieg gelungen: Großschriftsteller und angesehener Familienvater, mit feiner Villa in der Stadt und Sommerhaus auf dem Land; einer, dessen Stimme auch im lauten Durcheinander der Weimarer Republik gehört wird. Die es übrigens seiner Meinung nach nicht unbedingt gebraucht hätte. Frei sei das Volk nur, heißt es in seinen 1918 erschienenen "Betrachtungen eines Unpolitischen", "wenn Einer herrsche, nicht wenn Viele herrschen." Davon nahm er zwar später mit dem Bekenntnis zur "deutschen Republik" Abstand, doch die Sympathie derer, denen er mit den "Betrachtungen" auf so fein ziselierte Art aus dem Herzen gesprochen hatte, war ihm geblieben. Und brachte ihm etwas höchst Erfreuliches ein, nämlich den Ehrendoktor der Universität Bonn. An diesem Hort der guten alten, sprich, nationalen Werte, zeichnete man im Sommer 1919 nur zu gern einen Dichter aus, der, wie es in der Promotionsurkunde hieß, "in strenger Selbstzucht und beseelt von einem starken Verantwortungsgefühl aus innerstem Erleben das Bild unserer Zeit zum Kunstwerk gestaltet".
Ja, auch in Bonn weiß man Worte zu drechseln, wenn auch vielleicht nicht ganz so perfekt wie in der Münchner Villa, wo jetzt die Champagnerkorken knallen und beim Drucker gleich neue Visitenkarten bestellt werden für "Dr. Thomas Mann" - auf den Zusatz "h.c.", "ehrenhalber", verzichtet man; der kleine Hochstapler will schließlich auch zum Zug kommen.
Keiner will’s gewesen sein
Gut so, stehen doch ohnehin schwere Zeiten bevor; Zeiten, in denen Thomas Mann gezwungen ist, jenen geliebten Zustand der gewissenslosen Leichtigkeit zu verlassen, aus dem heraus er alles um sich herum beobachtet, um es dann später ins Werk einzuweben. Lange genug hatte er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Stellungnahme vermieden, doch irgendwann tut er den schweren Schritt. Und wird prompt aus Deutschland ausgebürgert, was eigentlich gar nicht mehr geht, weil er zwei Wochen zuvor selbst die deutsche Staatsbürgerschaft zugunsten der tschechischen aufgegeben hat. Was aber auf jeden Fall geht, ist der Entzug seiner Ehrendoktorwürde, den die Bonner Universität am 19. Dezember 1936 beschließt. Später dann, nach dem Krieg, haben sie sie ihm flugs wieder zurückgegeben, und keiner wollt ´s gewesen sein. Wie es halt immer so ist nach Zeiten, in denen die Hasardeure die Überhand haben.