17. Mai 1620 Das erste Karussell geht in Betrieb
Was für das Gleichgewichtsorgan von Erwachsenen eine Herausforderung ist, schaffen Kinder spielend: Karussellfahren. Zu überprüfen seit dem 17. Mai 1620 - da wurde im türkischen Plovdiv das erste Karussell präsentiert. Autorin: Carola Zinner
17. Mai
Sonntag, 17. Mai 1620
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
"Werdet wie die Kinder, denn ihrer ist das Himmelreich" - es gibt Momente, in denen sich die Weisheit jenes biblischen Auftrages eindeutig offenbart. Zum Beispiel beim Memory-Spielen. Warum ein fünfjähriges Kind sich merken kann, dass die blau-gepunktete Kaffeekanne schon mal aufgetaucht ist, und zwar in der zweituntersten Reihe als dritte Karte von links, das bleibt ein Rätsel. Aber es ist, glauben sie mir, für Eltern eine sehr, sehr frustrierende Erfahrung. Vor allem, wenn sie selbst gerade wieder danebengegriffen haben und statt der Kaffeekanne die grinsende Sonne aufgedeckt haben, die sie eigentlich schon kennen müssten - genau die haben sie nämlich beim vorletzten Zug auch schon umgedreht.
Schauplatz elterlicher Niederlagen
Ein weiterer Schauplatz elterlicher Niederlagen ist der Rummelplatz. Immer noch zieht es uns magisch zum Karussell, obwohl wir es doch vom Vorjahr her noch wissen müssten, was passiert. Früher - jahaa, da waren wir geradezu Weltmeister im Karussell-Fahren und hörten erst auf, wenn das Geld zu Ende war - was damals leider nicht allzu lange dauerte.
Doch heute, wo wir es uns leisten könnten, da - können wir es uns nicht mehr leisten: Uns wird nämlich schwindlig bei der Dreherei, und der Magen spielt verrückt. Bereits nach einer Runde torkeln wir von dannen, lassen uns von unseren Lieben zum schönen grünen Teint beglückwünschen und schaffen es dann gerade noch mit letzter Kraft, die nächste Runde für die Kinder zu spendieren. Warum, zum Donner, wird denen nicht schlecht?
Die wissenschaftliche Begründung dafür lautet in etwa so, dass der Gleichgewichtssinn der Kinder noch anders, sozusagen ursprünglicher ist. Abgehärtet von der Schaukelei im Mutterleib ist ihnen das Drehen offensichtlich eher erfreuliche Erinnerung an schöne vorgeburtliche Zeiten denn eine Zumutung. Wir hingegen behaupten, dass die Karussells heutzutage einfach zu schnell fahren.
Wagenrad mit kleinen Sitzen
Als Beweis steuern wir auf dem Oktoberfest das älteste Fahrgeschäft an, die Krinoline. Eine Art Scheibe, die sich dreht und sich dabei - wie ein Rock beim Tanz - mal leicht nach oben, mal leicht nach unten bewegt. Auf der Scheibe sind ledergepolsterte Rundsofas, auf denen man Platz nimmt und die sich dann bei der Fahrt selbst auch noch drehen.
So gehört sich das: Alles hübsch langsam und gemütlich - und in bester Tradition. Denn ähnlich, nur noch kleiner und einfacher, hat das erste Karussell ausgesehen. Das Gerät bestand aus einem, wie es heißt, großen, auf einer Scheibe angebrachten Wagenrad, an dem kleine Sitze befestigt waren, die sich im Kreis drehten. Präsentiert wurde dieses Karussell zum ersten Mal am 17. Mai des Jahres 1620, und zwar auf einem Jahrmarkt in der türkischen Stadt Philippopel, dem heutigen Plovdiv in Bulgarien. Wir gratulieren also zum Geburtstag - und machen uns dann auf den Weg zum nächsten Frühlingsfest. Wegen uns müsste es zwar nicht unbedingt sein - aber sie wissen ja, die Kinder...