18. April 1926 Erste Radio-Übertragung eines deutschen Fußballländerspiels
Nur Rauschen im Äther, statt mitreißender Kommentare…die erste Radioübertragung eines Fußballländerspiels. Schließlich geht Bernhard Ernst doch noch auf Sendung, via Telefonhörer statt via Mikrofon. Autor: Johannes Roßteuscher
18. April
Dienstag, 18. April 2017
Autor(in): Johannes Roßteuscher
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Aus dem Hintergrund müsste Pöttinger schießen. Van Kol kurz dazwischen, aber Pöttinger schießt - Toor! Quax im Tor der Holländer ist chan-cen-los. Vier zu zwei, meine sehr verehrten Damen und Herren, vier zu zwei … es läuft die 85. Minute, diesen Sieg sollte sich die deutsche Elf nicht mehr nehmen lassen…Vielleicht - hat sie sich so angehört.
Namen, die schwarz-weiß klingen
Die erste Radioreportage eines Fußball-Länderspiels in Deutschland. Deutschland - Niederlande , 4:2, am 18. April 1926. Unfassbarerweise gibt es von diesem Radio-Ereignis keine Aufnahme mehr. Aber die Namen, das Ergebnis: alles echt.
Zum Beispiel die Torhüter: Georg Ertl und Kees Quax! Die deutsche Verteidigung: Emil Kutterer, Georg Köhler, Ernst Nagelschmitz. Die niederländische: Peer Krom, Jan Hassink, Dolf van Kohl. Im Sturm Wim Tap und Eef Ruisch - Namen können sogar schwarz-weiß klingen.
Aber so schön sich das alles heute anhört, die Übertragung damals lief natürlich nicht nach Plan. Bei der allerersten Radioreportage, 1924, also noch zwei Jahre früher, hatte ein Postbeamter das Übertragungskabel wieder eingerollt – solch ein Kabel erschien ihm hier im Stadion falsch und sinnlos; woher sollte er auch wissen, dass die Oberliga-Partie Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld gleich im Radio übertragen werden sollte? Der Reporter, ein gewisser Dr. Bernhard Ernst, 25 Jahre alt und Journalist bei der "Westdeutschen Funkstunde", realisierte aber schnell, dass die Leitung plötzlich tot war und übertrug das Spiel per Telefon.
Zwei Jahre später dann, im Düsseldorfer Rheinstadion sollte wieder Bernhard Ernst der Reporter sein. Ernst war mindestens der Manni Bräuckmann der Weimarer Republik - oder sogar der Günter Koch?
Jedenfalls: Dieses Mal war‘s ein Länderspiel, und deshalb waren auch die Hindernisse massiver: In das Rheinstadion passten 60.000 Zuschauer - aber 70.000 drängten hinein. Folge: Reporter Ernst hatte keine Chance, durch die Menschenmassen zu seiner Sprechstelle zu gelangen. Doch auch diesmal war die Post zur Stelle, sogar segensreich: Als sich Ernst endlich zum Mikrofon durchgekämpft hatte - eine halbe Stunde nach Anpfiff, man kann sich die Schweißperlen auf seiner Stirn vorstellen - war das Mikrophon schon belegt: ein fußball-enthusiasmierter Postbeamter hatte es sich geschnappt und das Spiel kommentiert - durchaus kompetent, wie kolportiert wird. Ernst durfte immerhin noch sechzig Minuten und insgesamt vier der sechs Tore ansagen.
Das Wunder
Übrigens: 26 Jahre später, beim größten Fußballwunder ever, wie es auf Youtube heißen würde, 1954 in Bern also, war wieder Bernhard Ernst der Mann am Mikro. Dazwischen lagen zwar ein tausendjähriges Reich und ein sechsjähriger Weltkrieg. Aber Ernst und der Fußball hatten beides überlebt. Als dann 1954 das Wunder wahr wurde, durften die Menschen schon am Bildschirm zuschauen. Die Stimme aber, die kam wieder von Bernhard Ernst. Leider weiß heute kein Mensch mehr, wie sie geklungen hat. Denn die Tonspur der Fernsehreportage - ging verloren. Deshalb werden die berühmten schwarz-weiß-Bilder heute gemeinhin mit der Radioreportage unterlegt, die glücklicherweise archiviert wurde. Es ist also nicht Bernhard Ernst, sondern der Radioreporter Herbert Zimmermann, der mit sich überschlagender Stimme ruft: "Aus, aus, das Spiel ist aus."