Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. Oktober 1918 Cäsar Ritz gestorben, Hotelier

Was braucht ein Hotelgast, um sich geborgen zu fühlen? Erstaunlicherweise zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlichen Komfort. Der Hotelkönig Cäsar Ritz zog kurz vor seinem Tod am 20. Oktober 1918 Bilanz: Die richtige Temperatur macht den Gast glücklich.

Stand: 20.10.2011 | Archiv

20 Oktober

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Autor(in): Susanne Tölke

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Woran erkennt man ein gutes Hotel? Der Hotelier Lorenz Adlon gab die Antwort in einem Interview zur Eröffnung seines Hauses im Jahr 1907: "Ein gutes Hotel erkennt man am Bett. Es muss so gebaut und aufgestellt sein, dass der Gast eine vollendete Nachtruhe hat. Deshalb gibt es bei uns im Adlon auch keine Klingel, sondern nur Lichtsignale. Auf allen Treppen und Fluren liegen dicke Läufer. In jedem Zimmer muss die Möglichkeit zur völligen Verdunkelung bestehen. Das Bett selbst mit allen Decken und Kissen muss schon beim bloßen Anblick ein Gefühl des Wohlbehagens auslösen. Es soll dem Gast das Gefühl vermitteln, er sei geborgen in einem Nest, in das die feindlichen Einflüsse von draußen nicht eindringen können." Das war im Jahr 1907, eine Vorkriegsantwort sozusagen.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wäre Adlons Antwort wahrscheinlich anders ausgefallen. Cäsar Ritz jedenfalls, ein anderer legendärer Hotelkönig, schrieb in seinen Erinnerungen, die kurz vor seinem Tod am 20. Oktober 1918 erschienen: "Woran erkennt man ein gutes Hotel? Vor dem Kriege hätte ich gesagt, an der Qualität der Betten. Heute weiß ich: Es ist die Zimmertemperatur."

Nicht nur Deutschland litt im Ersten Weltkrieg, auch die Franzosen mussten hungern und frieren. Das heißt, nicht alle. Die reichen Pariser zogen ins Hotel Ritz. Durch die Einberufung hatten sie Dienerschaft verloren - wer sollte die Öfen heizen? Man schloss die Häuser in Auteuil und Neuilly und fand Unterschlupf im Ritz. Es galt als das bestgeheizte Gebäude in Paris und war deshalb auch tagsüber ein beliebter Treffpunkt. Wer einigermaßen passabel gekleidet war, konnte hier seinen Tee trinken und sich aufwärmen, besonders im bitterkalten Winter von 1916/17.

Wenn wir noch hundert Jahre zurückgehen, hieße die Antwort auf die Frage, woran man ein gutes Hotel erkennt, zweifellos: Das Bad! Das erste Hotel, das seinen Gästen Zimmer mit Bad anbot, stand aber nicht in Europa, sondern in Amerika. Es war das Hotel Tremont in Boston.

Der Besitzer war zwar wegen des riesigen Heizkessels gezwungen, alle Badezimmer nebeneinander im Erdgeschoss einzurichten, so dass die Gäste im Bademantel die Treppe herab- und hinaufsteigen mussten, aber immerhin hatte jeder Gast sein eigenes Bad mit Schlüssel. Die Presse jedenfalls ernannte das Hotel Tremont zum "Tempel der Hygiene". Zu Recht, wenn man bedenkt, dass es zu jener Zeit sowohl in der Alten als auch in der neuen Welt noch Herbergen gab, in denen die Gäste in einem großen Schlafsaal nächtigten und von einer Badewanne keine Rede sein konnte.

Apropos Badewanne: In Russland - von den neuen Luxushotels einmal abgesehen - erkennt man ein gutes Hotel angeblich daran, dass die Badewanne noch einen Stöpsel ihr eigen nennt. Erfahrene Russlandreisende haben deshalb immer einen kleinen Gummiball dabei, der auf jede Öffnung passt und sich festsaugt. Wer allerdings beim Frühstück oder an der Bar davon erzählt, muss damit rechnen, dass bald jede Menge Leute an seine Tür klopfen: "Sie haben doch diesen famosen Gummiball. Darf ich den mal ausleihen?"


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