21. Januar 1921 Agatha Christies erster Krimi in England
Die Fläschchen und Tinkturen einer Apotheke haben Agatha Christie zu ihren ersten Krimi inspiriert, natürlich ein Giftmord. Doch als "Das fehlende Glied in der Kette" am 21. Januar 1921 erscheint, winkten die Kritiker ab.
21. Januar
Dienstag, 21. Januar 2014
Autor(in): Christian Feldmann
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
1916 in der Apotheke des Badeortes Torquay an der Westküste Englands: Eine frisch verheiratete junge Dame aus den besten Kreisen tut hier freiwillig Dienst als Krankenschwester, wie es viele tun in den Kriegsjahren. Ihr Gatte Archibald befindet sich irgendwo in der Luft über Frankreich, er gehört zum Königlichen Fliegercorps. Die junge Dame langweilt sich - und schmiedet einen finsteren Plan: "Auf den Regalen rund um mich standen Gifte, und so war es vielleicht nur natürlich, dass ich einen Giftmord ins Auge fasste!"
Gift, eine saubere Todesart
Nun ja, so natürlich ist das nicht gerade, doch zum Glück verübt die mordlüsterne Apothekenhelferin ihre Freveltat nur auf dem Papier. Sie erfindet einen eitlen, geschwätzigen, aber genialen Detektiv, der, na was wohl, einen Giftmord zu klären hat. Spätestens jetzt wissen wir natürlich, dass es sich um Monsieur Hercule Poirot handelt, und wie seine Schöpferin heißt Agatha Christie. Es geht um den grässlichen Tod der Gutsbesitzerin Emily Inglethorp auf Gut Styles, die an einer Prise Strychnin gestorben ist, und um den nicht minder grässlichen Verdacht gegen ihren Gatten Alfred, der laut Zeugenaussagen in der Dorfapotheke, na was wohl, Strychnin gekauft hat. Zum Glück haben die Inglethorps den belgischen Superdetektiv Poirot zum Freund und zu Besuch.
Der findet heraus, dass der Strychnin-Käufer dem Hausherrn nur ähnlich gesehen hat. Die Handschellen klicken nicht, und der bereits mit einem Haftbefehl vor der Tür stehende Scotland-Yard-Inspektor muss verärgert abziehen.
Doch Alfred Ingelthorps Erleichterung währt nicht lange; der scharfsinnige Poirot bringt noch mehr heraus - und zwar, dass Alfred trotz seines Alibis der Täter ist. Er hat den Mord von langer Hand geplant, und seine Geliebte, die Hausdame Evelyn, war sein williges Werkzeug.
Am 21. Januar 1921 erscheint Agatha Christies Premieren-Thriller in Großbritannien unter dem Titel "The Mysterious Affair at Styles", deutscher Titel: "Das fehlende Glied in der Kette". Ihrem gruseligen Erstling sollten noch 65 weitere Kriminalromane folgen. In 41 davon greifen die Mörder oder die Lebensmüden zum Gift. "Unsaubere" Todesarten konnte sie nicht leiden.
"Schriftsteller sind Handwerker"
Die schrecklich ernsthaften britischen Kritiker tadelten ihre unglaubwürdigen Plots und ihr allzu schlichtes "Schulmädchen-Englisch", und die schüchterne Autorin schämte sich tatsächlich lange Zeit für ihre anspruchslose Schreibe. Erst spät fand Agatha Christie zu einer kühlen Selbstsicherheit: "Man soll sich nicht mit der Überzeugung an die Schreibmaschine setzen, ein gottbegnadetes Genie zu sein", gestand sie zu. "Nein, man ist Handwerker, ein Handwerker, der eine gute, ehrliche Arbeit leistet."
Da hatte sie es schon zu Startauflagen von 50 000 gebracht, zur Erhebung in den Adelsstand, zu einem Dinner mit der Queen. Man liebte sie, die "Herzogin des Todes" - obwohl sie für ihre boshafte Zunge bekannt war. Sie machte sich über die Mode lustig, alles mit Psychologie zu erklären, erwies sich aber selbst oft genug als sensible Kennerin seelischer Abgründe: Im Mord erblickte sie "das profunde und mitleiderregende Verlangen, anerkannt zu werden".