21. Januar 1911 Amundsen errichtet Camp Framheim
Minus 20 Grad hatte der antarktische Sommer, als der Polarforscher Roald Amundsen am 21. Januar 1911 auf dem Ross-Schelfeis sein Camp Framheim errichtete. Nichts sollte fehlen auf der Südpol-Erkundungsexpedition. Es gab sogar eine Puppe, die „Mama“ quäkte.
21. Januar
Donnerstag, 21. Januar 2010
Autor(in): Isabella Arcucci
Redaktion: Thomas Morawetz
„Leben ist das, was passiert, während du dabei bist andere Pläne zu machen“, lautet ein Zitat von John Lennon. Dieser Erkenntnis hätte der norwegische Polarforscher Roald Amundsen nur beipflichten können.
Sein ganzes Leben hatte der 1872 geborene Amundsen davon geträumt, der erste Mensch am Nordpol zu sein. Und so stach der Mann mit der markanten Adlernase bereits mit 15 Jahren das erste Mal in See. Doch mit 37, als er endlich alle finanziellen Mittel zur großen Expedition in Händen hielt, löste sich sein ersehnter arktischer Lebensplan in Schneegestöber auf. Denn es war der Amerikaner Peary, der im September 1909 auf dem Nordpol laut und frech „Erster!“ schrie, während Amundsen noch am heimischen Esstisch in Bundefjord die Expedition plante. Was Amundsen von vielen anderen vom Schicksal betrogenen Lebensplanern unterschied war seine unverdrossene Bereitschaft zum Umplanen. Er beschloss, zum Südpol aufzubrechen.
Seine Mannschaft erfuhr erst auf See von dem neuen Reiseziel. Das Erstaunen hierüber hielt sich jedoch in Grenzen. Pol ist schließlich Pol. Auf jeden Fall würde es kalt werden. Daran hatte der umsichtige Amundsen natürlich auch gedacht, weshalb er die Laderäume des Expeditionsschiffes „Fram“ reich mit Rentierfellanzügen und hochprozentigen Spirituosen füllen ließ. Nur an Schneeschaufeln hatte er im Eifer der Reiseplanung nicht mehr gedacht, was sich später als kleines Problem erweisen sollte. Dafür hatten besorgte Unterstützer die Mannschaft mit 500 Weihnachtspäckchen versorgt, in denen sich so nützliche Dinge fanden wie eine „Mama“ quäkende Babypuppe. Auch seinem britischen Konkurrenten Scott, der ebenfalls Richtung Südpol unterwegs war, hatte Amundsen bis zu seinem Aufbruch nichts von seinem Vorhaben verraten, weshalb ihm manche unlauteren Wettbewerb vorwarfen.
Im Januar 1911 erreichte Amundsens Schiff Fram mit 19 Mann, 116 Schlittenhunden, 6 Brieftauben und dem Kanarienvogel Fritjof die Walfischbucht. Von hier aus bestieg der Polexpeditionsteil der Mannschaft nebst den Hunden die so genannte Rosseisplatte, auf der das Winterquartier „Framheim“ errichtet werden sollte.
Noch war auf der Südhalbkugel Sommer, bei lauschigen -20° C. Amundsen hatte alles perfekt geplant. Nicht etwa in zugigen Zelten, nein in einem eigens mitgebrachten Fertighaus wollte man Quartier nehmen. Am 21. Januar 1911 wurde das Dach auf dieses heimelige Hüttchen gesetzt, von dessen blitzblankem Linoleumboden Amundsen noch in seinen Expeditionsmemoiren schwärmen sollte. Überhaupt gestaltete sich das Leben auf der Eisplatte zunächst angenehmer als gedacht, zumal die gutmütig im Schnee schnarchenden Seehunde und zutraulichen Pinguine leicht zu erlegende Fleischlieferanten waren. In Amundsens Tagebuch finden sich daher Einträge wie folgender: „Ein Kaiserpinguin kam gerade auf Besuch – im Suppentopf.“
Im Winter begannen die Bewohner Framheims ihre vergessenen Schneeschaufeln zu vermissen, doch mit etwas Geschick waren ein paar gebastelt und nun wurden rund um die verschneite Hütte Schneehöhlen gegraben, die als Werkstätten dienten. Dort arbeiteten die Männer an der Polausrüstung. Mit bloßen Händen, bei -50°C.
Ja, Amundsen hatte alles perfekt geplant und noch einmal sollte ihm das Schicksal nicht dazwischen funken. Hunderte von Seehunden und Pinguinen wurden abgeschlachtet, zahlreiche Hunde mussten erschossen werden und die restlichen wurden zu Höchstleistungen geprügelt. Aber am Ende war Roald Amundsen als Erster am Südpol angelangt und die Menschheit wieder einen Schritt weiter gekommen.