22. Januar 1506 Schweizer Garde wird gegründet
Sie stehen herum wie aus der Zeit gefallen, aber: die Schweizer Gardisten sind im Vatikan nicht nur Dekoration. Seit dem 22. Januar 1506 bewachen sie den jeweils amtierenden Papst. Auch dabei gilt: Die Schweiz steht für Qualität.
22. Januar
Donnerstag, 22. Januar 2015
Autor(in): Christian Feldmann
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Beim Bewerbungsgespräch wird angeblich auch auf einen durchtrainierten Körper und gut geformte Waden geachtet: Man wird später im Dienst Kniebundhosen tragen, und da machen allzu kräftige Waden halt einfach keine bella figura.
Aber zwei Jahre bei freier Kost und Logis und anständiger Bezahlung mitten in Rom zu jobben, das lockt schon!
Die Einstellungsbedingungen sind durchaus akzeptabel: nicht älter als dreißig, nicht kleiner als 1,74, ledig, katholisch, Abitur oder abgeschlossene Berufsausbildung, einwandfreier Leumund. Schade, dass wohl kaum jemand,
der das jetzt hört, eine Chance hat, den Job zu bekommen. Wer der Schweizer Garde beitreten will, denn um die geht es hier, muss immer noch und unbedingt die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzen.
Hungerland Schweiz
Warum denn nur, fragt der enttäuschte Besitzer schöner Wadln hierzulande -
und muss sich von Historikern belehren lassen, dass das A an den politischen Verhältnissen in der Renaissance liegt und B daran, dass man im Vatikan gute alte Traditionen zu schätzen weiß. Damals im 15. und 16. Jahrhundert galten die Schweizer Soldaten in ganz Europa als die tapfersten und besten. Keineswegs deshalb, weil die Eidgenossen ein grässlich kriegerisches oder blutrünstiges Volk gewesen wären, sondern weil die kleine Schweiz, man glaubt es kaum, mit einer halben Million Einwohnern überbevölkert war und die Wirtschaftslage grottenschlecht. Deshalb wanderten die jungen Swizzeri in Scharen aus, verdingten sich bei den Franzosen und Spaniern als Söldner und wurden überall mit Kusshand genommen, denn ihre gepanzerten Bataillone walzten jeden Feind nieder.
Als ein paar tausend Schweizer Soldaten 1494 an einem französischen Kriegszug gegen Neapel teilnahmen, beobachtete ein Kardinal namens Giuliano della Rovere fasziniert, wie draufgängerisch sie kämpften. Kaum war er ein Jahrzehnt später Papst geworden, ein Machtmensch und charismatischer Politiker, mehr Feldherr als Seelsorger, heuerte dieser Papst Julius II. zweihundert Schweizer Soldaten als Leibwache an. Übrigens mit einem Darlehen des bewährten Augsburger Bankhauses Fugger. Am 22. Januar 1506 zog die Garde zum ersten Mal unter klingendem Spiel am Petersplatz auf. Zwei Jahrzehnte später verteidigte sie während des Sacco di Roma Papst Clemens VII. heldenhaft gegen die von Kaiser Karl V. geschickten Landsknechte; 147 Gardisten wurden vor dem Hochaltar von St. Peter gnadenlos massakriert.
Machiavellis Irrtum
Heute erscheint die Garde in ihrer farbenfrohen Uniform nur noch als ein Stück pittoresker Folklore. Doch die Swizzeri arbeiten keineswegs nur als Türsteher und Saalordner, sondern, im unauffälligen schwarzen Anzug, auch als Personenschützer. Gilt doch der Vatikan als hoch gefährdetes potenzielles Ziel von Terroristen und der Papst als beliebtes Hassobjekt von Verrückten und Fanatikern. Im November 1970 stürmte in Manila ein surrealistischer Maler mit einem Malaiendolch auf Paul VI. los. 1981 überlebte Johannes Paul II. nur um ein Haar das Attentat des muslimischen Fundamentalisten Ali Agca auf dem Petersplatz.
Fünfhundert Jahre ist es her, da warnte der Florentiner Machttheoretiker
Niccolò Machiavelli die Päpste, bloß keine ausländischen Personenschützer zu engagieren: "Söldner", so Machiavelli, "sind machtgierig, undiszipliniert und untreu."
Offenbar hat er sich geirrt.