21. März 1871 Wilhelm I. eröffnet Reichstag
Die deutsche Einheit und die Gründung des Kaiserreiches im Jahr 1871 war keiner Volksbewegung zu verdanken, sondern Bismarcks Revolution von oben. Sie ließ Wünsche offen. Umso wichtiger war es, die nationale Jubelstimmung durch die feierliche Eröffnung des Reichtags zu beflügeln. Autorin: Brigitte Kohn
21. März
Freitag, 21. März 2025
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Berenike Beschle
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Mit der Gründung des Kaiserreiches im Jahre 1871 war die deutsche Einheit Wirklichkeit geworden. Allerdings nicht durch eine Volksbewegung erkämpft, sondern hauptsächlich vom konservativen preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck ins Werk gesetzt. Der verfolgte das Ziel, aus den deutschen Fürstentümern ein kompaktes Machtgebilde zu machen und liberalen, demokratischen und sozialistischen Bestrebungen durch eine Revolution von oben den größtmöglichen Riegel vorzuschieben.
Bismarck dockt Bayern an
Bismarck sorgte dafür, dass Preußen den neuen föderalistischen Staat dominierte und dass das bayerische Königreich sich trotzdem eingliedern ließ, wenn auch etwas widerwillig. Der preußische König Wilhelm I. stellte den Kaiser und durfte sich weiterhin auf die alten Eliten des Militärs und der Ministerialbeamten stützen. Einen Reichstag, also ein Parlament mit Parteien gab es auch, doch die Berufung des Reichskanzlers und der Minister blieb Sache des Kaisers, und auch die meisten Gesetzentwürfe kamen aus der Regierung und wurden nicht von den Volksvertretern initiiert.
Bayern ist dagegen
Die Spannungen zwischen dem katholischen Süden und dem protestantischen Norden, die Unzufriedenheit vor allem der Linksliberalen und Sozialdemokraten mit der Machtfülle von Reichskanzler Bismarck und der preußischen Aristokratie machten aus der deutschen Einheit ein recht fragiles Gebilde. Bismarck wusste das.
Umso wichtiger schien es ihm und Kaiser Wilhelm I. die Eröffnung des ersten Deutschen Reichstags am 21. März 1871 mit einigem Pomp zu begehen.
Der Kaiser hatte dazu in den Weißen Saal seines Berliner Schlosses geladen. Die Bundesfürsten, Generäle, Diplomaten, Ministerialbeamten und Hofangehörigen stellten sich vorne auf, die Reichtags-Abgeordneten weiter hinten. Als der Kaiser unter den lauten Hochrufen der Anwesenden den Saal betrat, trugen seine Generäle die Reichsinsignien voran, das Zepter und den Reichsapfel und auch die Krone auf einem goldenen Kissen. Wilhelm I. setzte sie nicht auf, wohl um den modernen Zeiten durch ein bisschen Bescheidenheit Tribut zu zollen. In der Thronrede, die Bismarck für ihn geschrieben hatte, versicherte er in Richtung der misstrauischen Nachbarstaaten, dass das Deutsche Reich sich als Bewahrer des europäischen Friedens profilieren werde.
Trotzdem betrachteten die anderen Nationen den Aufstieg Deutschlands zur Industriemacht mit gemischten Gefühlen. Auch die inneren Spannungen ließen sich nicht befrieden, obwohl Reichskanzler Bismarck mit aller Härte nicht nur gegen Sozialdemokaten und Arbeiterbewegung vorging, sondern auch gegen die katholische Kirche, die ihren gesellschaftlichen Einfluss vor allem im Süden des Reiches nicht an die preußisch-protestantische Staatsgewalt abtreten wollte. Ob die Ursachen für die Kurzlebigkeit des Kaiserreiches, das 1918 nach dem Ersten Weltkrieg zusammenbrach, bereits in Bismarcks autoritärem Regiment zu suchen sind? Oder ob Krieg und Untergang zu verhindern gewesen wären, wenn seine Entlassung im Jahr 1890 nicht erfolgt wäre? Darüber sind sich die Historiker bis heute nicht einig.