22. Mai 1363 Einführung der Amtsbezeichnung "Bürgermeister"
Dieser Disput hat Tradition: Die bayerischen Landesväter gegen die Münchner Bürgermeister. Aber dieser Disput findet auch traditionell seine Lösung, denn seit jeher gilt in weiß-blauen Gefilden: Ober sticht Unter.
22. Mai
Donnerstag, 22. Mai 2014
Autor(in): Birgit Magiera
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ober sticht Unter. Diese Regel beim Kartenspielen gilt auch und vor allem für die Politik. In der Münchner Stadtpolitik galt sie für eine lange Zeit mehr als in anderen Städten: denn München war über Jahrhunderte hinweg Wohnsitz der bayerischen Herrscherfamilie, der Wittelsbacher. Und wo der Landesfürst wohnt, also der Ober, bestimmt der, wo’s lang geht, und nicht der Bürgermeister. Dem bleibt nur die Rolle des Unters. Es war in München also offensichtlich eine undankbare Aufgabe, in Rufweite des Herzogs, später des Kurfürsten und noch später des Königs das Amt des Bürgermeisters auszuüben. Das wäre zumindest eine Erklärung für die Verordnung, die der Rat der Stadt am 22. Mai 1363 erlässt, vielmehr sich gezwungen sieht, zu erlassen:
Ein Bürger, der sich weigert, das Bürgermeisteramt zu übernehmen, muss hundert Pfund Pfennige Bußgeld zahlen.
Wer gewählt ist, hat keine Wahl
Bemerkenswert ist diese Regel auch deshalb, weil in dem Dokument zum ersten Mal in der Münchner Stadtgeschichte schriftlich das Wort "pürgermaister" fällt. Da noch mit "P" und "ai" geschrieben und ohne das "Ober" davor. Denn wie gesagt, am Wohnort des bayerischen Herrschers war der Bürgermeister nur der Unter, nicht der Ober.
Dafür finden sich in der Stadtgeschichte viele Beispiele. Münchens Stadtplan wäre undenkbar ohne die königlichen Prachtstraßen: von der Maximilian- über die Prinzregenten- bis zur Ludwigstraße. Kronprinz Ludwig, der spätere Ludwig I., schaltete sich höchstpersönlich in die Planung der Straße ein. Er war es auch, der die Architekten aussuchte und beauftragte, nicht etwa der Stadtrat, wie man bei so einer städteplanerischen Großtat vermuten könnte. Schließlich ging es bei der Ludwigstraße auch um die komplette nördliche Stadterweiterung. Aber genauso was die Innenstadt anbelangt, rissen die Herzöge und Kurfürsten Entscheidungen einfach an sich: vor gut zweihundert Jahren zogen die Marktleute um auf das Gebiet, auf dem sie heute noch ihre Stände haben:
den Viktualienmarkt.
Den Umzug verfügte einfach mal so - genau - nicht der Stadtrat oder der Bürgermeister, sondern Max I. Josef, damals König von Bayern. Die Fläche des Viktualienmarktes war aber dicht bebaut mit Häusern, die der Stadt gehörten. Kein Problem, da trägt der König dem Magistrat einfach auf, die Häuser abreißen zu lassen. Wer will ihm schon widersprechen? Widerspruch gab´s auch nicht, als der fromme Kurfürst Maximilian I. mitten auf ur-städtischem Grund, dem Platz direkt vor dem Rathaus, die Mariensäule errichten ließ.
Trumpf oder kritisch?
Doch das deutlichste Zeichen dafür, wer in München das Sagen hatte und wer nicht, ist der Sitz der vermeintlichen Stadtoberen selbst: das neue Rathaus. Unter den vielen Statuen, die die lange Fassade des Rathauses zieren, befinden sich Darstellungen von 46 Herzögen und Kurfürsten, aber kein einziger Stadtrat oder Bürgermeister.
Heutzutage muss man keinem Bürgermeisterkandidaten mehr eine Geldstrafe androhen, damit er sein Amt auch tatsächlich annimmt. Und die alte Regel
"Ober sticht Unter" ist in demokratischen Zeiten zumindest nicht mehr so offenkundig.