23. November 1976 Jacques Mayol taucht 100 Meter tief
Das Wasser wird kälter, der Druck steigt, das Gehirn wird langsamer - mit jedem neuen Meter hinab in die Tiefe wird das Frei- oder Apnoetauchen riskanter. Am 23. November 1976 schafft Jacques Mayol eine Tauchtiefe von 100 Metern.
23. November
Mittwoch, 23. November 2011
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Thomas Morawetz
Der Mensch braucht Luft zum Leben, und die holt er sich, ohne lange darüber nachzudenken. Das muss er auch nicht, denn alles ist bestens geregelt: Stockt der Atem, kommt es also zur so genannten Apnoe, dann steigt der Gehalt der Kohlensäure im Blut und löst im Gehirn einen heftigen Reflex aus, der das Einatmen herbeizwingt, ob man nun will oder nicht.
Allerdings findet der Mensch sich bekanntlich nur ungern damit ab, zu irgendwas gezwungen zu werden und probiert deshalb immer wieder aus, ob nicht doch noch ein bisschen was geht. Wie lange kann man die Luft anhalten. Geht’s nicht doch noch ein bisschen länger? Noch länger? Und könnte man mit dieser Kunst der Luftanhalterei nicht auch was Nützliches anfangen - Tauchen zum Beispiel, hinunter zum Meeresgrund, wo Schwämme liegen und Muscheln mit Perlen in Hülle und Fülle….?
Jacques Mayol - der "Delfinmensch"
So hat es wohl begonnen: Die Menschen haben geübt, den Atemreflex zu überwinden und sind dann weit hinabgetaucht, um die Schätze des Meeres zu bergen. Sie nahmen dafür einiges auf sich, denn da unten sinkt die Wassertemperatur rapide. Gleichzeitig steigt der Druck. Er presst die Lunge zusammen und verursacht Schmerzen im Trommelfell. Zudem fällt das Denken immer schwerer: Die Taucher mussten sich also schon vor dem Weg in die Tiefe gut überlegen, wie weit sie gehen konnten, um auch den Rückweg noch zu schaffen. Irgendwann gab es dann Druckanzüge und Sauerstoffflaschen, und alles wurde einfacher - doch einige blieben bei der alten Methode, einfach weil sie es schön fanden, frei wie die Fische in den Tiefen des Wassers dahinzugleiten - oder weil sie wissen wollten, ob nicht doch noch ein bisschen mehr geht mit einem einzigen Atemzug.
Es begann das große Kräftemessen im Freitauchen oder Apnoetauchen, wie das Tauchen ohne Sauerstoffflaschen jetzt hieß. Im Jahr 1961 schaffte es der Italiener Enzo Majorca bis in eine Tiefe von 50 Metern, 1965 waren es schon 54 Meter. Und dann kam der Franzose Jacques Mayol. Man nannte ihn „Delfinmensch“, denn seine Freunde waren die Delfine, mit denen er unter Wasser spielte, als sei er einer von ihnen. Außerdem hatte er sich mit verschiedenen Meditationstechniken beigebracht, den Puls auf 20 Schläge in der Minute zu senken. Damit konnte er den Verbrauch von Sauerstoff aufs Notwendigste reduzieren und länger unter Wasser bleiben als jeder andere.
Damals schier unmöglich
Am 23. November des Jahres 1976 gelang Jacques Mayol das damals scheinbar Unmögliche: Er tauchte 100 Meter in die Tiefe. Das war im Meer vor der Insel Elba, und natürlich war Enzo Majorca nicht weit, der sich mit Mayol einen ständigen Wettstreit im Freitauchen lieferte. Die freundschaftliche Konkurrenz zwischen dem Italiener und dem Franzosen wurde später zum Thema eines Spielfilms. Er heißt „The Big Blue“ - auf Deutsch: „Im Rausch der Tiefe“ und machte das Apnoetauchen erst richtig populär. Heute ist es ein anerkannter Leistungssport mit mehreren Unterkategorien und vielen Regeln, und Mayols Spitzenleistung ist natürlich längst übertroffen, doch seine einzigartige Persönlichkeit bleibt unvergessen. Freunde haben ihm im Südosten von Elba ein Denkmal errichtet. In - nur - 16 Meter Tiefe.