Was ist eigentlich Fußball? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Wahrscheinlich wäre es einfacher aufzuzählen, was er nicht ist. Denn mittlerweile gibt es unzählige Eigenschaften und Aufgaben, die der beliebtesten Sportart der Welt zugeschrieben werden: Fußball, heißt es, sei identitätsstiftend und völkerverbindend, über alle Kontinente und Klassen hinweg – eine echte Weltreligion.

Eine Frage des Geldes?

Vergiss es, kontern die Kritiker. Er ist zu einer globalen Industrie verkommen: mit Profi-Clubs, die sich wie Dax-Unternehmen gerieren; mit jungen Sportsöldnern in kurzen Hosen, die ein Mehrfaches eines Bundeskanzlers verdienen und vom Fußball-Volk wie Popstars gefeiert werden. Reine Geldsache also. Ein Spielzeug für Milliarden schwere Sponsoren, ein Forum für machtgeile Funktionäre und zwielichtige Diktatoren, die ihre korrupte Herrschaft mit Großereignissen schmücken. Gar nicht zu reden von den Hooligans, die das Spiel nur als Vorwand nutzen, um sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Oder ihre chauvinistischen, rassistischen und sexistischen Parolen rauszuhauen. Ja, all das ist Fußball – auch. Wie sollte es anders sein? Er ist das Brennglas, das uns die Zustände der Welt in vielfacher Vergrößerung vor Augen führt. Aber war da nicht noch was? Etwas ganz Wesentliches? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt sich ein Blick zurück auf die Anfänge, im Mai 1857. Es war ein furchtbar nasses und kaltes Frühjahr, selbst für mittelenglische Verhältnisse. In der Stahlarbeiterstadt Sheffield – damals berüchtigt für besonders schlechte Arbeitsbedingungen und blutige Auseinandersetzungen zwischen Fabrikbesitzern und Gewerkschaftern – trafen sich zwei bürgerliche Herren im Adelphi Hotel. Der Weinhändler William Prest und der Rechtsanwalt Nathaniel Creswick, beide Mitglieder des örtlichen Kricket- und Leichtathletikvereins, diskutierten bis tief in die Nacht die Frage, wie man sich in den verregneten englischen Wintermonaten fit halten könnte, bis die nächste Kricket-Saison beginnt.

Ordnung ins Gekicke

Bislang hatten sich die Kricketspieler mit einem Lederball vergnügt, auf einer Wiese, ganz ohne Regeln, einfach nur wild drauf los gebolzt. Das machte zwar Riesenspaß, brachte aber  Verletzungsgefahren mit sich. Deshalb überlegten die beiden Honoratioren, wie man Ordnung ins wilde Gekicke bringen könnte. Ein halbes Jahr später, am 24. Oktober 1857, lag die Lösung auf dem Tisch. Prest und Creswick hatten ein Regelwerk erschaffen und gründeten den Sheffield Football Club – den ersten Fußballverein der Welt. Ihre sogenannten "Sheffield Rules" wurden zur Grundlage unserer heutigen Fußballregeln: mit Eckball, Einwurf und Freistoß. Videobeweis gab´s zwar noch keinen, aber das Spiel lief trotzdem. Und wie. Aus dem bürgerlichen Zeitvertreib wurde bald ein Massensport, und 1885 entstand sogar eine englische Profi-Liga . Dabei konnte und wollte der FC Sheffield aber nicht mithalten. Man setzte weiterhin lieber auf Amateurfußball. Bis heute. Die erste Herrenmannschaft des Vereins kickt derzeit in der achten englischen Liga, während zwei Sheffielder Lokalrivalen als Profis viel weiter oben spielen. Trotzdem ist man mächtig stolz beim ältesten Fußballklub der Welt: Weil die Amateure vom FC der ganzen Welt jede Saison aufs Neue beweisen, was Fußball wirklich ist. Oder sein kann. Nämlich das geilste Spiel der Welt.