25. Januar 1955 Kirchenmalereifälscher Malskat verurteilt
Bis heute könnte die Lübecker Marienkirche stolz auf ihre gotischen Malereien sein, doch plötzlich meldete sich der Mann, der sie höchstpersönlich an die Wand gefälscht hatte. Am 25. Januar 1955 wurde Lothar Malskat verurteilt.
25. Januar
Mittwoch, 25. Januar 2012
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Thomas Morawetz
In einer Märznacht des Jahres 1942 ließen feindliche Flugzeuge einen Teil ihrer Bombenfracht auf die Marienkirche der Stadt Lübeck fallen, was unter anderem dazu führte, dass im Langschiff dick der Kalk von den Wänden platzte. Darunter kamen alte, gotische Wandmalereien zum Vorschein: Heiligenfiguren, überlebensgroß, doch leider bloß in kümmerlichen Resten erhalten. Also beauftragte nach dem Krieg das Lübecker Kirchenbauamt Dietrich Fey und Lothar Malskat, die Malereien zu restaurieren. Die machten ihre Sache hervorragend, die gotischen Heiligen erstrahlten wieder im vollen Glanz und die Fachleute schrieben dazu begeisterte Expertisen.
Nur ein paar Bier- und Schnapsmarken
Und als man ein paar Jahre später den 700. Geburtstag der Marienkirche von Lübeck feierte, war erstrangige Prominenz anwesend. Neben Bundeskanzler Adenauer, in vorderster Front, schritt, saß und tafelte auch der Restaurator Dietrich Fey. Malskat hingegen, der alles ausgeführt hatte, sah sich mit ein paar Bier- und Schnapsmarken abgespeist. Was ihn so wurmte, dass er ein halbes Jahr später zur Polizei ging und Selbstanzeige erstattete. Von den gotischen Originalen in der Marienkirche sei derart wenig Substanz erhalten gewesen, dass er die einundzwanzig Heiligen einfach nach eigenem Gutdünken selbst gemalt habe. Und zwar im Auftrag des Herrn Fey.
Die Fachwelt zuckte zusammen, ebenso die Oberen der Stadt Lübeck. Im darauffolgenden Prozess, den die Öffentlichkeit mit großer Anteilnahme verfolgte, stellte sich nicht nur heraus, dass Malskat recht hatte mit seiner Anschuldigung, sondern auch, dass die Lübecker Kirchenleitung von allem gewusst und begeistert mitgemacht hatte. Immer wieder habe man ihn hoch oben auf dem Gerüst besucht, habe ihm auf die Schulter geklopft und ihn ermuntert: "Immer feste Farbe druff, Malskat", habe man gesagt. Warum das so war, stellte Malskat auch gleich klar: Reste von gotischen Originalen brachten der Kirche Geld vom Staat.
Für neue Malereien hingegen, etwa für die von Malskat, hätte keiner auch nur einen Groschen bereitgestellt.
Miserable Erzeugnisse
Sechs Monate lang dauerte der Prozess, sechs Monate lang berichteten Presse und Rundfunk, und schließlich erging am 25. Januar 1955 unter dem Surren der Wochenschaukameras das Urteil. Der Angeklagte Fey wurde wegen Betrugs zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt, der Angeklagte Malskat, ebenfalls wegen Betrugs, zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Die Angeklagten der Kirchenbauleitung wurden freigesprochen. Auf sie wartet freilich noch das Jüngste Gericht.
Malskats Verteidiger betonte abschließend die Unlogik der Sache. Hätte Malskat die Bilder 700 Jahre früher gemalt, dann wären die Kunsthistoriker offenbar zu Recht begeistert gewesen. Dieselben Bilder, heute gemalt, seien miserable Erzeugnisse eines ostpreußischen Malergesellen und brächten ihren Urheber ins Gefängnis. Und in der Marienkirche zu Lübeck zog eine Putzkolonne auf und wusch die gotischen Heiligen wieder von den Wänden.