25. November 1984 "Do They Know It’s Christmas" aufgenommen
Die Melodie rockt ein bisschen, dazu läuten weihnachtlich die Glocken. Der Ernst, mit dem die Stars bei der Sache sind, rührt das Herz. Und alle, wirklich alle, waren ins Londoner Studio gekommen, am 25. November 1984.
25. November
Dienstag, 25. November 2014
Autor(in): Markus Mähner
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Julia Zöller
Es war ein trauriges Bild, das sich da Bob Geldof bot, als er an einem regnerischen Herbstabend vor dem Fernseher saß. Von Natur aus ein kritischer Mensch, schaute der Popstar keine billige Quizsendung, sondern eine Dokumentation über die Hungersnot in Äthiopien. Diese traurigen Bilder entsprachen genau seiner Stimmung. Denn auch seine Welt war im Moment deprimierend: Mit der Musik lief es nicht so richtig, die Plattenverkäufe sanken, die Luft war raus!
Rolls Royce, Promis, Benefiz
Anders bei Midge Ure: Seine Band Ultravox war seit geraumer Zeit in den Olymp des Synthiepop aufgestiegen. Seine Welt war bunt: glitzernde TV-Bühnen, umgeben von lachenden Neonleggings-Fans und Diskokugeln. Man schrieb das Jahr 1984, und die Musikwelt war noch nie schriller und bunter gewesen. Für Popstars wie Midge Ure war alles möglich; und so zögerte er keinen Augenblick, als Bob Geldof ihn fragte, ob er mit ihm einen Weihnachtssong für einen guten Zweck aufnehmen wolle.
Einige Tage später: Es war ein trauriges Bild, das sich da Midge Ure in seiner Londoner Wohnung bot: Ein ungekämmter Bob Geldof, der augenscheinlich seine besten Tage hinter sich hatte, saß vor ihm über eine Gitarre gekauert, die weder gestimmt war noch alle Saiten besaß. Doch das war egal, denn was Geldof darauf schrammte, war ohnehin alles andere als Musik. Dazu murmelte er:
"It’s Christmas time, there is no need to be afraid." Ja, man merkte zumindest dass es sich wohl um ein Weihnachtlied handelte!
Doch für Popstars wie Midge Ure war alles möglich und so zögerte er keinen Augenblick und machte aus diesem Gemurmel ein Lied. Und nicht nur irgendeines, sondern einen Hit. Einen Hit, der später alles bisher dagewesene in den Schatten stellen sollte - zumindest was die Verkaufszahlen anging. "Do They Know It´s Christmas?" wurde das Lied des Jahres 1984 und die bis dahin meistverkaufte Single in England. Doch damit dies Weihnachtswunder geschehen konnte, mussten noch weitere Popstars mitmachen - Popstars, für die gerade alles möglich war.
Und sie kamen in Scharen: Der 25. November 1984 war ein Traummorgen für die Paparazzi, die vor einem Studio im Londoner In-Viertel Notting Hill lungerten: Die Crème de la Crème des englischen Pop gab sich ein quietschbuntes Stelldichein. Da fuhren Rolls-Royce vor; einem schneeweißen Golf entstiegen die drei blutjungen Mädchen der allerersten Girl-Group Bananarama, der Superstar Sting kam zu Fuß im Mantel, noch mit der Zeitung unter dem Arm. Phil Collins, damals bereits eine Legende, brachte sein Schlagzeug mit. Nach viel Schaulaufen, Kaffeetrinken, Frisuren- und Klamottenvergleich - George Michael gewann definitiv den Frisurenwettbewerb - ging es ans Singen. Abgemischt wurde noch in der Nacht und vier Tage später kam die Single schon aus dem Presswerk. Rechtzeitig für den Weihnachtsgabentisch!
Wurst-Platte beim Metzger
Keine Platte verkaufte sich jemals so schnell. Sie gehörte einfach unter jeden englischen Weihnachtsbaum. Selbst in den Auslagen der Metzger fand man sie, neben Truthahn und Weihnachtsgans, und es soll Leute gegeben haben, die gleich 50 Platten auf einmal kauften. Ganz England sang den Refrain "Do they know it‘s Christmas time at all?" - wobei man kurz an die verhungernden Kinder in Afrika dachte, denen ja der Reinerlös der Verkäufe zugute kam.
Allein: in Afrika gibt es noch immer Hungersnöte. Bob Geldof jedoch sitzt nicht mehr deprimiert zuhause. Die Queen hat ihn zum Ritter geschlagen, er ist zurück im Rampenlicht: weltweit diskutiert er mit Politikern und Hilfsorganisationen. Doch auch wenn für Popstars alles möglich scheint, der Hunger in Afrika ist wohl selbst für einen Popstar eine Nummer zu groß. Doch wie heißt es schon bei Kant: Der gute Wille ist allein durch das Wollen gut!