25. August 1835 Der "große Mond-Schwindel" beginnt
Fledermausmenschen in Landschaften mit Einhörnern sollte der Astronom Sir John Herschel auf dem Mond gesichtet haben. Das berichtete jedenfalls die New York Sun am 25. August 1835. Ganz aus dem Häuschen waren die Menschen über das, was sich letztlich als „großer Mondschwindel“ entpuppte.
25. August
Mittwoch, 25. August 2010
Autor(in): Isabella Arcucci
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Redaktion: Thomas Morawetz
Der Mond hat von jeher die Phantasien der Menschen beflügelt. Anders als die stolze Sonne, die jeden sticht, der es wagt sie anzusehen, lässt der gütige Mond sich in seinen unterschiedlichen Phasen bewundern. Wie in China, wo man Mitte des achten Monats nach dem Mondkalender den Vollmond betrachtet, in der stillen Hoffnung, ein Ast des wundertätigen Zimtbaumes könnte von dort oben zu einem herabfallen. Oder die Mondfrau möge sich für einen Moment zeigen und mit ihren Gefährten Frosch und Hase ein kleines Tänzchen aufführen.
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen hat Menschen die Frage beschäftigt, wie es wohl auf dem Mond aussehe und wer dort lebe. Der böse Mondmann, der dem Maikäfer Sumsemann sein sechstes Beinchen abgehauen hat? Oder vielleicht doch die japanische Mondfee Kaguyahime, deren überirdischer Schönheit sogar der Kaiser verfallen war… Alles kindische Spinnereien?
Am 25. August 1835 schien das Rätsel um das Leben auf dem Mond endlich wissenschaftlich geklärt. Die New York Sun berichtete von einer sensationellen Entdeckung, welche der berühmte britische Astronom Sir John Herschel gemacht haben sollte. Durch ein riesiges Teleskop modernster Konstruktion hieß es, habe er vom Kap der Guten Hoffnung aus den Mond ins Visier genommen und das dort vorhandene Leben gründlich inspiziert: eine reizende Landschaft aus Wäldern und Seen, in der Einhörner weideten, aufrecht gehende Biber in strohgedeckten Hütten ihrem Tagwerk nachgingen und menschenähnliche Wesen mit Fledermausflügeln durch prächtige Tempelanlagen schwebten.
Viel höher noch als die lila Quarzpyramiden, welche Sir John Herschel angeblich auf dem Mond ausgemacht hatte, waren jedoch die Verkaufszahlen der Sun, als sich die große Entdeckung herumsprach. Sechs Mond-Artikel wurden in Folge gedruckt und machten die Sun zu einem gefragten Blatt. An der Yale-University diskutierte man bereits euphorisch über den Vespertilio-Homo, den Fledermausmenschen, während viele, weniger akademisch gebildete Zeitgenossen, von der Geschichte eher belustigt waren.
Am meisten amused war jedoch Sir John Herschel selbst. Im Gegensatz zu seinen Fledermausmenschen war der bedeutende Astronom nämlich durchaus real und hatte bis zum Erscheinen des Berichts in der Sun rein gar nichts von seiner großen Entdeckung gewusst.
Drei Wochen hielt sich diese erste Presseente der amerikanischen Geschichte in den Schlagzeilen. Bis die Sun endlich einräumte, es könnte sich, eventuell, auch um einen kleinen Scherz gehandelt haben. Das vage Eingeständnis kam gerade noch rechtzeitig, bevor eine Gruppe Missionare aus Massachusetts sich vollends in ihren Plan versteigen konnte, nämlich zum Mond zu reisen, um die Fledermausmenschen von ihren Tempelgötzen abzubringen. – The Great Moon Hoax – der große Mond-Schwindel, wurde der Streich der Sun später genannt.
Heute behaupten manche, die erste Mondlandung der Amerikaner wäre ebenfalls nichts anderes als ein solcher Hoax gewesen. Kann sein, dass sich diese Behauptung auch deshalb so hartnäckig hält, weil wir uns soviel mehr vom Mond erträumt hatten als die öde Kraterlandschaft, die 1969 über den heimischen Fernseher flackerte.
Doch wer weiß. Vielleicht sind die wirklichen Geheimnisse des Mondes für das menschliche Auge gar nicht zu entdecken. Wie Matthias Claudius schrieb:
Siehst du den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön! So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehen.