30. August 1873 Entdeckung des Franz Joseph Lands
Das Kaiser Franz Joseph Land! Am 30. August 1873 entdecken die Mitglieder der österreichisch-ungarischen Nordpol-Expedition die kargen Umrisse der Inseln im Polarmeer und benennen sie zu Ehren ihres Kaisers. Eine Entdeckungsfahrt, auf der die Entdecker zu Gefangenen ihrer Entdeckung werden.
30. August
Dienstag, 30. August 2011
Autor(in): Klaus Uhrig
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
Dass sich keiner an Bord des Forschungsschiffs gefragt hat, ob der Kaiser im fernen Wien diese Inseln im Polarmeer überhaupt haben will ... ob es ihm überhaupt recht ist, dass die Entdecker diese kleinen Eisklumpen ungefragt nach ihm benennen - Franz-Joseph-Land. Nein. Zweifel sind nicht vorgesehen auf der kaiserlich-und-königlichen österreichisch-ungarischen Nordpol-Expedition. Wer auszieht, um zum Ruhme Österreichs die Arktis zu erforschen, der ist sicher vieles. Aber kein Zweifler.
1873 sieht die Weltkarte so aus: Die Franzosen haben halb Afrika in Besitz genommen. Die Engländer die andere Hälfte, und Indien obendrauf. Spaniern und Portugiesen bleiben immerhin noch Reste ihrer früher so mächtigen Kolonialreiche. Und die Österreicher? Die wollen zumindest bei der Erforschung der Welt mithalten. Allerdings bleibt es bei genau einer Entdeckung: Das Franz-Joseph-Land. Eine Handvoll Inseln im Polarmeer. Unbewohnt, eisbedeckt, zusammen etwa so groß wie die Steiermark.
Ein Jahr lang ist die Gruppe österreichischer Polarforscher schon durchs Eismeer geirrt. Erst gesegelt, dann nur noch gedriftet. Als sie endlich Land sehen, ist ihr Schiff seit Monaten im Eis festgefroren. Eingesperrt in eine riesige Eisscholle treibt die „Admiral Tegetthoff“ nach Norden. Die große Entdeckung ihrer Mannschaft ist eigentlich nur den günstigen Strömungen geschuldet.
Trotzdem: An Bord ist die Küstenlinie am Horizont eine Sensation. Keiner weiß später, wer sie als erstes gesehen hat. Wer als erster gerufen hat: "Land! LAND!". Wer jetzt noch unter Deck ist, kommt hochgerannt. Irgendjemand köpft eine Weinflasche. Expeditionsleiter Julius Payer notiert in sein Tagebuch: "Diese geringe Schar, welche die Heimat bereits zu den Verschollenen zählte, war so glücklich, ihrem fernen Monarchen dadurch ein Zeichen ihrer Huldigung zu bringen, dass sie dem neuentdeckten Lande den Namen Kaiser Franz Josef Land gab."
Nicht alle an Bord teilen die Glücksgefühle. Payers Forscherkollege Carl Weyprecht hält die Entdeckung einiger kleiner Inselchen für völlig nebensächlich und, was noch viel schlimmer ist, für wissenschaftlich bedeutungslos. Und die Matrosen hoffen einfach nur, dass das Polar-Abenteuer jetzt bald vorbei ist. Dass die "Admiral Tegetthoff" endlich nach Hause segeln kann. Dass endlich Schluss ist mit der Kälte, der Einsamkeit, dem eintönigen Essen und der Angst, die Arktis vielleicht nie mehr zu verlassen.
Erst zwei Monate nach der Entdeckung am Horizont können Payer und Weyprecht ihr Franz-Joseph-Land auch betreten über das jetzt völlig zugefrorene Polarmeer. Sie hissen eine Fahne mit dem österreichisch-ungarischen Doppelader. Sie deponieren ein Dokument, das den Besitzanspruch des Kaisers erklärt. Dann erkunden sie die Inseln und entdecken nichts von Bedeutung.
Der Rest der Geschichte ist lang, aber schnell erzählt. Die "Admiral Tegetthoff" sitzt noch ein weiteres Jahr im Eis fest. Schließlich gibt die Besatzung ihr Schiff auf, und macht sich mit Schlitten auf den Weg nach Süden. Eine riskante Entscheidung. Denn wer soll sie finden und retten, dort oben im Eismeer?
Sie werden gefunden. Russische Fischer bringen die Polarforscher nach Norwegen. Dann: Rückkehr nach Österreich. Staatsempfang. Die Expeditionsleiter werden in den Adelsstand erhoben, die Matrosen kehren zu ihren Familien zurück. Wien jubelt. Der Kaiser jubelt mit.
Ob er es aber wirklich gut fand, dass sein Name jetzt auf ewig die Landkarten ziert, dass da jetzt "Franz-Joseph-Land" steht, ganz weit im Norden, fernab jeder Zivilisation. Ob er sich darüber wirklich gefreut hat, das ist nicht überliefert.