7. Mai 1866 Attentat auf Otto von Bismarck
Was wäre, wenn Bismarck nicht erkältet gewesen wäre? Wenn die Kugel des Attentäters am 7. Mai 1866 nicht von seiner dicken Kleidung abgefangen worden wäre? Wie wäre dann die Weltgeschichte verlaufen? Autorin: Brigitte Kohn
07. Mai
Montag, 07. Mai 2018
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
7. Mai 1866. Das Abendessen ist angerichtet, Johanna von Bismarck schaut ungeduldig auf die Uhr. Der Hausherr, Ministerpräsident Otto von Bismarck, sollte längst hier sein, lässt aber auf sich warten. Dabei stand doch gar nichts Ungewöhnliches auf seinem Terminplan, nur eine Routinebesprechung bei König Wilhelm I. von Preußen. Endlich geht die Tür auf, und Bismarck ist da. Reichlich aufgekratzt und froh, noch unter den Lebenden zu weilen. Man habe gerade ein paar Schüsse aus nächster Nähe auf ihn abgefeuert, tut er kund. Seine Kleidung ist durchlöchert, er müsste eigentlich tot sein - jedoch: "Eine Rippe tat zwar etwas weh, ich konnte aber zu meiner Verwunderung bequem nach Hause gehen." Vorher habe er dem Attentäter die Waffe abgenommen und ihn bis zum Eintreffen der Polizei am Weglaufen gehindert. Bei Tisch langt Bismarck tüchtig zu und empfängt dann noch zwei Besucher, König Wilhelm I. persönlich und seinen Leibarzt. Der Professor findet keine Verletzung außer einer geprellten Rippe, die eine der Kugeln abgefangen hat. Die ungewöhnlich dicke Kleidung Bismarcks - wegen einer Erkältung war er recht warm angezogen - hat wohl wie ein Schutzpanzer gewirkt. Johanna von Bismarck umarmt ihren Gatten und kündigt an, den Attentäter bei Gelegenheit persönlich in die Hölle zu stoßen.
Bespuckt und mit Knallerbsen beworfen
Das ist nicht mehr nötig. Der Attentäter, Ferdinand Cohen-Blind ist sein Name, 22 Jahre alt, liegt schon in seinem Blut. Er hat sich im Gefängnis die Kehle durchgeschnitten, stirbt gelassen und ruhig, voller Stolz auf seine Tat. Er hatte den Krieg verhindern wollen, auf den Bismarck zusteuert - offen und vor aller Augen. Den Krieg gegen Österreich, der endlich für Preußens Vorherrschaft in Deutschland sorgen soll. Für diese Kriegstreiberei hassen ihn die Menschen - auch viele Konservative. Sie spucken auf der Straße vor ihm aus und bewerfen ihn mit Knallerbsen. Aber Bismarck hat nicht vor, einen Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen. Nein, er setzt sich durch, der Krieg beginnt. Die Schlacht bei Königgrätz fordert über 7.000 Tote, die Welt ist nachher nicht mehr dieselbe:
Preußen ist jetzt erste Großmacht in Europa, die Österreicher sind aus der jahrtausendealten Zusammengehörigkeit mit den Deutschen ausgeschlossen. Der Deutsche Bund ist aufgelöst, die Ordnung von 1815 zerstört.
Geburtsfehler mit dramatischen Konsequenzen
Spätestens nach der Gründung des ersten deutschen Nationalstaates fünf Jahre später steht Bismarck endgültig als Sieger der Geschichte da - umjubelt auch von ehemaligen Gegnern. Doch der Geburtsfehler dieses Staates ist seine preußisch-militärische und antidemokratische Färbung. Dieser Staat wird Kriege auslösen, deren Grausamkeit sich Bismarck nicht einmal vorstellen kann. Was wäre wohl aus Deutschland geworden ohne Königgrätz und die Folgen? Es gibt bedeutende Historiker, die sich diese Frage stellen. Die Antwort weiß niemand. Auch Bismarck nicht, der heute noch auf circa 500 Denkmalsockeln steht - und schweigt.