19. Februar 1919 Der Lotter-Putsch scheitert in München
1919: Ein Putsch folgt auf den nächsten, im gerade frisch ausgerufenen "Freistaat Bayern". Ministerpräsident Kurt Eisner soll gestürzt werden, am 19. Februar versucht es ein Matrose namens Konrad Lotter. Autorin: Julia Devlin
19. Februar
Mittwoch, 19. Februar 2020
Autor(in): Julia Devlin
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Freistaat Bayern. Ein Begriff, so stattlich wie der Watzmann, so mächtig wie ein Föhnsturm, so gewichtig wie ein Maßkrug. Umso erstaunlicher, dass dieser "Freistaat Bayern" einst ausgerufen wurde von einer äußerst unbayerischen Person. Kurt Eisner war es, ein Zuagroaster, aus Berlin und Sozialist obendrein. Der Weltkrieg, von dem man damals noch nicht ahnte, dass es erst der erste war, ging nun schon ins fünfte Jahr. Die Niederlage des Deutschen Reiches war abzusehen. Da nutzte Eisner die Gunst der Stunde, oder eher, die Kriegsmüdigkeit des Volkes und die Morschheit der Monarchie und erklärte Bayern zur Republik. "Bayern ist fortan ein Freistaat", so proklamierte er im November 1918, vermutlich in g‘spreiztem Hochdeutsch. Aber immerhin im Mathäser-Bräu.
600 Matrosen ziehen auf München
Nicht alle waren mit Eisner und seinen politischen Ideen einverstanden. Und so formierten sich zahlreiche Gruppierungen von Unzufriedenen. Bürgerliche, die Eisner vorwarfen, ein Bolschewist zu sein. Radikale Revolutionäre, die Eisner vorwarfen, kein Bolschewist zu sein. Spartakisten, Anarchisten, Monarchisten, Katholische, Völkische. Sie alle versuchten, ihre Vorstellungen von einem besseren Bayern durchzusetzen, mit Propaganda, Intrigen und auch ganz handfest. So kam es zu zahlreichen Putschen. Presseputsch. Palmsonntagsputsch. Bürgerwehr-Putsch. Und der Lotter-Putsch.
Konrad Lotter war ein Obermatrose, der wie viele Soldaten am Ende des verlorenen Krieges vor dem Nichts stand, und das auch noch in Wilhelmshaven. Er stammte aus Franken, und was dieser Sozi Eisner da in der Landeshauptstadt trieb, fand er gar nicht gut. So mobilisierte er 600 Matrosen, die meisten von ihnen ebenfalls aus Bayern, und zog mit ihnen auf München. Eisner sollte verhaftet und in die Tschechoslowakei abgeschoben werden. Am 19. Februar 1919 besetzten die Seeleute das Telegrafenamt und versuchten den Landtag zu erobern. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen Regierungstruppen und Aufständischen vor dem Hauptbahnhof. Ein vollkommen unbeteiligter Trambahnfahrer verlor dabei sein Leben.
Dann brach der Aufstand auch schon zusammen. Lotter verbrachte ein paar Wochen im Königlichen Strafvollstreckungsgefängnis Stadelheim, kam straflos wieder frei und starb hochbetagt im Jahre 1978.
Der Mord an Kurt Eisner
Die Hintergründe des Putsches konnten bis heute nicht ganz geklärt werden. Anscheinend hatte der bayerische Innenminister, der Sozialdemokrat Auer seine Finger im Spiel. Gemunkelt wurde auch über eine größere Geldspende der Firma Krupp.
Im Nachhinein hätte man es Kurt Eisner fast wünschen können, dass Lotters Abschiebungsplan geglückt wäre. Denn zwei Tage später trafen ihn die Kugeln seines Mörders. Der Freistaat, den er einige Wochen zuvor proklamiert hatte, er existiert immer noch, so kraftvoll wie die Donau, so imposant wie die Zugspitze, so fest wie eine Wettertanne. Aber wer erinnert sich daran, dass er einstmals von einem Berliner Sozialisten ausgerufen wurde?