22. Juni 1865 Erste Pferdestraßenbahn Deutschlands nimmt Betrieb auf
Zwischen den Brandenburger Tor und Charlottenburg, Spandauer Straße begann in Berlin 1865 das Zeitalter der Straßenbahn in Deutschland. Die Berliner Pferde- Eisenbahn- Gesellschaft E. Besckow nahm den Betrieb auf und beförderte schon in ihrem ersten Betriebsjahr 960.000 Passagiere. Autorin: Katharina Hübel
22. Juni
Donnerstag, 22. Juni 2023
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Berlin im Jahr 1865 war noch keine Millionenstadt. Und hatte längst nichts von dem Glamour einer Hauptstadt - wie nur wenige Jahre später, als das Deutsche Kaiserreich gegründet wurde. Berlin war 1865 eine preußische Beamtenstadt, regiert von Wilhelm dem Ersten. Mietskasernen und Militär prägten das Stadtbild. Stadtreinigung, Wasserleitungen und öffentliche Badeanlagen gab es noch nicht allzu lange. Berlins letzte Windmühle war noch in Betrieb. Und von der Siegessäule stand noch nicht viel mehr als der erste Grundstein. Selbst die Hauptstraßen wirkten irgendwie ausgestorben: Menschen zogen vereinzelt Handkarren, Straßenarbeiter schleppten Steine. Bürgerliche Herren mit Zylinder fuhren Kutsche.
Der Beginn einer Ära
Doch es kamen immer mehr Menschen nach Berlin und einige Vororte wie Wedding, Gesundbrunnen oder Schöneberg wurden bereits eingemeindet. Die wachsende Großstadt wollte sich auch verkehrstechnisch auf mehr Menschen einstellen - und das sollte ein völlig neues Verkehrsmittel schaffen: Am 22. Juni 1865 begann in Berlin das Zeitalter der Pferde-Straßenbahn. Der ersten in Deutschland. Straßenbahn, das hieß tatsächlich: Schiene. Mitten auf der Straße. Mitten im sonstigen Stadtverkehr. Aber - von zwei oder mehr Pferden gezogen. Überdimensionierte zweistöckige Kutschen, hoch aufragende Doppeldecker, meist heillos überfüllt, abenteuerlich sahen die Pferde-Straßenbahnen aus. An manchen Tagen schleppten die Pferde doppelt so viele Personen wie eigentlich zugelassen: manchmal sogar knapp über 90 Personen pro Wagen. Alle wollten mit der Pferdestraßenbahn fahren - trotz des stolzen Preises von anfangs zwei Silbergroschen. 960.000 Menschen transportierte die Berliner Pferdestraßenbahn in ihrem ersten Betriebsjahr.
So viele Menschen, dass ein Zustieg entlang der Strecke - zunächst vom Brandenburger Tor bis nach Charlottenburg - oft gar nicht möglich war, weil dort hunderte Schaulustiger standen und mitfahren wollten.
Aufregend langsam
Ein aufregendes, jedoch langsames Fortbewegungsmittel: Der Kutscher durfte maximal Trab fahren, vor Kreuzungen nur noch Schritt. Stand ein Hindernis auf den Gleisen, so musste nicht das Hindernis von den Gleisen, sondern die Pferdestraßenbahn weichen. Alle aussteigen, Karren von den Schienen heben, Hindernis umfahren und wieder rauf auf die Schienen. Der Fahrplan geriet außer Takt, die Pferde kamen ins Schwitzen. Da war mancher Fußgänger schneller. Egal. "Fahrn wa so jemütlich uff de Pferdebahn. Det eene Pferd, det zieht nich, det andre det is lahn. Der Kutscher kann nich fahren, der Konduktör nich sehn und alle fünf Minuten bleibt die Karre stehn!" - Selbst ins Liedgut, also mitten in die Berliner Seele, hat es die Pferdestraßenbahn geschafft.