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31. August 1943 Die Frankfurter Zeitung darf nicht mehr erscheinen

Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 entwickelte sich die Frankfurter Zeitung zu einem bedeutsamen Sprachrohr der außerparlamentarischen, liberal-bürgerlichen Opposition. Das stete Bemühen, sich der geistigen Gleichschaltung zu entziehen, konnte Adolf Hitler natürlich nicht gefallen. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 31.08.2023 | Archiv

31.08.1943: Die Frankfurter Zeitung darf nicht mehr erscheinen

31 August

Donnerstag, 31. August 2023

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Es sollte keine leichte Aufgabe werden für die verantwortlichen Redakteure. Fast 90 Jahre lang war ihre Zeitung erschienen, oft unter widrigsten Umständen, und doch aufgestiegen zu einer der angesehensten und einflussreichsten deutschen Publikationen. Nun aber schlug die Stunde der - nein, nicht der Wahrheit, - sondern der Macht. Die hatte im Frühjahr 1943 entschieden: Die Frankfurter Zeitung wird eingestellt!

Liberale Weltzeitung

Es sollte einige Monate dauern, bis die gesamte Belegschaft in der Setzerei des Hauses zusammengetrommelt und informiert wurde: Adolf Hitler selbst habe den Befehl erteilt, das traditionsreiche Blatt dichtzumachen. Ein kritischer Artikel über das Nazi-Urgestein Dietrich Eckart habe den Unmut des Führers erregt. Aber das war wohl bloß ein Anlass. Denn die Frankfurter Zeitung war Hitler schon lang ein Dorn im Auge. Nur weil Propagandaminister Goebbels vor dem Ausland den liberalen Schein wahren wollte, blieb die unabhängige Zeitung vom Verbot ein ganzes Jahrzehnt lang verschont. Freilich, zahlreiche jüdische Mitarbeiter hatten sie schon 1933 verlassen müssen. Und Kritisches konnte allenfalls noch zwischen den Zeilen gedruckt werden.

In jenen Sommertagen 1943, als die Zeichen des deutschen Untergangs schon vielerorts zu erkennen waren, als britische Bomber gerade Hamburg zerstört hatten und an der Ostfront der große Rückzug der Wehrmacht einsetzte, da herrschte auch in der Frankfurter Setzerei bedrückte Stimmung. Mancher mag sich erinnert haben an die glorreichen Zeiten der Zeitung. Als "Frankfurter Geschäftsbericht" 1856 gegründet, bald schon umbenannt und mit einem politischen Teil versehen, stets dem Liberalismus verpflichtet, avancierte sie im Bismarck-Reich zum Sprachrohr der liberal-bürgerlichen Opposition.

Auch später, in der Weimarer Republik, war sie eines der wenigen demokratischen Blätter im Land. Weil sich die linksliberale Frankfurter Zeitung für die Annahme des Versailler Vertrages und für eine Versöhnungspolitik aussprach, wurde sie von den Nationalisten angefeindet. Der Geist aber stand auf ihrer Seite. Die Liste der Autoren und Mitarbeiter im Feuilleton liest sich wie ein Who is Who der damaligen Intellektuellen: Walter Benjamin, Ernst Bloch, Bert Brecht, Alfred Döblin, Thomas Mann, Ernest Hemingway. Oder der ungarische Schriftsteller Sandor Marai, der meinte: "Die Frankfurter Zeitung ist die einzige echte Weltzeitung Deutschlands".

Rechnung der Geschichte

Doch damit war Schluss am 31. August 1943. Was aber schreibt man nun an so einem allerletzten Zeitungs-Dienstag? Keine leichte Aufgabe, die von den Redakteuren jedoch elegant gelöst wurde. Neben Meldungen aus aller Welt platzierten sie auf Seite 1 und 2 jeweils unten einen klugen und anspielungsreichen Essay über den Philosophen Giambattista Vico. Der Neapolitaner hatte im frühen 18. Jahrhundert die Grundsätze seiner zyklischen Geschichtsphilosophie verfasst. Aus Rohheit und Barbarei, so Vico, sei die Menschheit aufgestiegen zu höchster Zivilisation, um unter Umständen wieder zurückzufallen in Tyrannei, Verblödung und Selbstzerstörung. Der Aufsatz trug übrigens den Titel: "Die Rechnung der Geschichte."


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