21. September 1792 Frankreich ruft die Republik aus
Die Verfassung der ersten französischen Republik sah kein formelles Staatsoberhaupt Staates vor. Robespierre nannte die Hinrichtung des Königs "eine Maßnahme des öffentlichen Wohls". Autorin: Brigitte Kohn
21. September
Montag, 21. September 2020
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Bei seiner Krönung in der Kathedrale von Reims war Ludwig XVI. 20 Jahre alt und konnte nicht ahnen, dass die Französische Revolution ihm 18 Jahre später den Kopf kosten sollte. Während der Salbung mit dem heiligen Öl, das ihn in den Stand eines Herrschers von Gottes Gnaden setzte, erbebte auch seine Frau, Königin Marie Antoinette, im Glanz ihrer Diamanten ausschließlich vor Ergriffenheit. Der Zauber der uralten Riten schlug selbst das bitterarme Volk in den Bann.
Letzte Station Paris
Danach war der Tag noch lange nicht vorbei. Auf der Rückreise nach Paris mussten alle Orte entlang der Strecke besucht werden, auch die kleinen. Es goss in Strömen, immer wieder blieb die Kutsche im Morast stecken. Die Bürgermeister hielten lange Reden und die Priester in den Kirchen ein Pontifikalamt ab.
In Paris sah das Protokoll eine letzte Station vor, das Kolleg Louis-le-Grand. Dort hatte ein 17-jähriger Jurastudent einen lateinischen Hymnus eingeübt und fieberte seinem Auftritt entgegen. Wegen des Regens wollte das Königspaar aber nicht aussteigen. Der Student kniete vor dem geöffneten Wagenschlag im Matsch und sagte sein Gedicht her, mehr und mehr durchnässt. Ludwig und Marie Antoinette warteten, vermutlich ziemlich müde, das Ende ab und verzogen keine Miene. Als sie weiterfuhren, blieb der Student ohne Wink und Gruß zurück. Sein Name war übrigens Maximilien de Robespierre.
"Eine Maßnahme des öffentlichen Wohls"
Es war jener Robespierre, der sich später zum radikalen Königsgegner und zum Blutrichter der Französischen Revolution entwickeln sollte. Seine politische Logik kannte nur zwei Seiten: Freund oder Feind, Verschwörer oder Revolutionär. Die einzige reine Größe war in seinen Augen das Volk, egal was es tat; wer das anders sah als er, musste vernichtet werden. Die menschenfreundlichen revolutionären Ziele schlugen im Laufe der Jahre zwangsläufig in blanken Terror um.
Ludwig XVI. war ein schwacher König und regierte eher lustlos. Unentschlossen lavierte er zwischen ein paar Reformen und der Verteidigung der alten Ordnung hin und her. Als die Revolutionäre ihm die Rolle eines konstitutionellen Königs zuwiesen, nahm er das hin. Doch seine Nähe zu hochkonservativen Adeligen und undurchsichtige politische Winkelzüge schürten Misstrauen und Abneigung gegen die Monarchie auch in der Bevölkerung, die unter Missernten und Hunger litt.
Und so kam es, dass der Nationalkonvent am 21. September 1792 das Königtum völlig abschaffte und tags darauf die Republik ausrief. Robespierre forderte den Tod des Königs. "Ihr habt keineswegs ein Urteil zu sprechen für oder gegen einen Menschen, sondern eine Maßnahme des öffentlichen Wohls zu vollziehen", rief er den Abgeordneten zu. Für ihn zählte nur die revolutionäre Dynamik, nicht der historische Einzelfall, erst recht nicht der Mensch; jede Form von Ausgleich war für ihn undenkbar. Ludwig XVI. wurde abgeurteilt und starb auf dem Schafott; Marie Antoinette erlitt das gleiche Schicksal.