25. Mai 1844 Friedrich Engels berichtet über die Münchner Bierkrawalle
Als es im Mai 1844 zu einer Bierpreiserhöhung kommt, schlagen die Münchner ihre geliebten Brauhäuser kurz und klein. Über die Krawalle berichtet Friedrich Engels – damals Korrespondent in Großbritannien. Autorin: Laura Eßlinger
25. Mai
Freitag, 25. Mai 2018
Autor(in): Laura Eßlinger
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
1844, Tea Time in Großbritannien. Während die Engländer gemütlich Tee schlürfen und Zeitung lesen, geht es in München hoch her:
"Die arbeitende Bevölkerung versammelte sich in großen Massen, marschierte durch die Straßen, überfiel öffentliche Gebäude, schmiss die Fenster ein, zertrümmerte die Einrichtung und zerstörte alles in ihrer Reichweite, um Rache für die Preiserhöhung ihres Lieblingsgetränkes zu nehmen. Das Militär wurde herbeigerufen, aber ein Reiterregiment, dem befohlen wurde, aufzusitzen, verweigerte den Befehl. "
Hoppla, und das im rigiden Königreich Bayern. Was brachte die sonst so gemütlichen Bayern dazu, derart auszurasten?
26 Kreuzer für vier Maß
Alles hatte angefangen, als der Soldat Korbinian Stiglmayr im Wirtshaus Maderbräu zahlen will. Nach einer zünftigen Runde Schafkopf mit den Kameraden der Artillerie und vier Maß Bier ist es für ihn Zeit, in seine Kaserne zurück zu wanken. Als die Rechnung kommt, traut er seinen Augen nicht: 26 Kreuzer für vier Maß Bier, die außerdem noch schlecht eingeschenkt waren?! Soldat Stiglmayr weigert sich, einen halben Kreuzer mehr und damit sechseinhalb Kreuzer pro Maß zu zahlen. Viel zu viel!
Als die Gendarmerie kurz darauf im Maderbräu eintrifft, herrscht dort schon das reinste Chaos: Stühle und Maß-Krüge fliegen, Fensterscheiben klirren. Das Mobiliar? – wird in Einzelteile zerlegt!
Der König hatte die Schnapsidee
Dass der Spaß für die trinkfreudigen Bayern beim Bier aufhört, hätte ihr König, Ludwig I., wissen müssen. Denn er war’s, der die Schnapsidee mit der Bierpreis-Erhöhung um 22 Prozent hatte. Und das ausgerechnet Anfang Mai, als traditionell der Ausschank des Sommerbiers startete. Der Grund für die Erhöhung zwar nachvollziehbar: Wegen schlechter Ernten und Tierseuchen war das Getreide teurer.
Die Mehrkosten aber ausgerechnet auf’s Bier draufzuschlagen – für die Wirtshausgänger nicht einzusehen!
Die Gäste im Maderbräu blieben nicht die einzigen, die sich darüber ärgerten. Ihr Aufstand ist nur der Anfang der Revolte. Bis zu 300 wütende Bayern ziehen auch in den folgenden drei Tagen durch Münchens Gassen.
Die Briten erfahren davon aus der Zeitung. Und zwar von einem prominenten Deutschen, der als Korrespondent über die Bierkrawalle schreibt: Friedrich Engels. Der war nämlich nicht nur Philosoph, sondern auch Journalist. Und erklärt mit besagtem Artikel den Briten mal, wie das in "Bavaria" mit dem "Beer" so läuft – oder eben nicht.
"Beer Riots in Bavaria"
Der Bericht über die "Beer Riots in Bavaria" erscheint am 25. Mai 1844 im Northern Star. Vor allem der Bayernkönig kriegt darin seit Fett weg. Als erklärter Freund der Arbeiterklasse resümiert Engels:
"Aus all dem ergibt sich, dass sich der Dichterkönig (König Ludwig von Bayern ist der Autor dreier unlesbarer Gedichtbände, eines Reiseführers über eine seiner öffentlichen Bauten etc. etc.) während dieser Unruhen in einer äußerst peinlichen Lage befand."
Am Ende gibt sich der König geschlagen: Er nimmt die Bierpreiserhöhung zurück, und die Ruhe in München kehrt wieder ein. Engels‘ Hoffnung aber, dass das Volk der Regierung künftig "auch bei wichtigeren Angelegenheiten das Fürchten" lehrt, bewahrheitete sich nicht. Ja mei: In Bayern gilt halt: Bier gut, alles gut!