12. April 1774 Goethes "Götz von Berlichingen" uraufgeführt
Als Verteidiger der Entrechteten sah der historische Götz von Berlichingen sich selbst. Als Sturm-und-Drang-Kerl brachte ihn Goethe auf die Bühne. Und seit 2010 gibt es ihn sogar als Playmobil-Figur. Autorin: Justina Schreiber
12. April
Freitag, 12. April 2019
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Was für ein heißer Schei… äh, Pünktchen, Pünktchen! Einige Leute standen nach der Lektüre Kopf! Sie wussten sich "vor Enthusiasmus kaum zu fassen", dass der Verfasser "den elenden Regelnkodex unter die Füße" trat! Es lebe die Freiheit! Jawoll. Das ruft ja auch sein Held ein ums andere Mal, während er mit der eisernen Faust auf den Tisch haut. Die können uns mal von hint… äh, Pünktchen, Pünktchen! Doch bis aus dem wüsten "Vorschlag" dieses Dings… wie hieß er doch gleich, dieser freche schriftstellernde Jurist? Ach ja, Goethe!... ein handhabbares Theaterstück wurde… mein lieber Graf Sickingen!
Dramatisch und wild!
Für die Uraufführung am 12. April 1774 im Berliner Comödienhaus hatte man wohlweislich allerlei Vorsichtmaßnahmen getroffen, damit die Zuschauer mit dem Faden nicht auch den Glauben ans Theater verloren. 56 Szenenwechsel und unzählige Figuren, Hofleute, Bauern, Knechte, Bürger, Zigeuner, ja sogar Pferde sah der größenwahnsinnige Autor vor. Mit seiner "wilden dramatischen Skizze" sprengte er die bis dato heilige Bühnen-Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Dass der Intendant Heinrich Koch die Herausforderung annahm und den ungestümen Text auf die Bühne brachte, verdiente durchaus Respekt. Trotzdem war es vielleicht ganz gut, dass der junge Autor nicht im Zuschauerraum saß, um den zurechtgestutzten "Götz von Berlichingen" zu betrachten. Ein Kollege hatte den Rotstift walten lassen und einen Haufen Szenen sowie Kraftausdrücke gestrichen.
Die Bamberger Reiter waren nun zum Beispiel keine "Sch… Pünktchen, Pünktchen…. Kerle" mehr. Stattdessen gab es im fünften Akt ein albernes Ballett - angeblich, weil das Publikum immer eine Hopserei erwartete. Zum Verständnis des Ritterstückes, das einen Zeitraum von – sage und schreibe - sieben Jahren umfasste, trugen auch die – laut zeitgenössischem Urteil - "höchstjämmerlichen Dekorationen" nichts bei. Doch sei’s drum. Dem Volk gefiel das bunte Treiben, die rohe Sprache der einfachen Leute, die Mischung aus Tragik und Spaß.
Shakespearisieren!
Nicht so Friedrich dem Großen. Der preußische König, der das klassische französische Schauspiel verehrte, zeigte sich angewidert: diese "Nachahmung schlechter englischer Stücke"! Dieses Shakespearisieren! Aber ungeachtet des Gemäkels leitete die Inszenierung einen Epochenwechsel ein. Was vor allem an den Kostümen lag. Erstmals traten nämlich die Darsteller nicht in unpassenden antiken Gewändern oder höfisch-steifen Fischbeinröcken auf die Bühne. Vielmehr trugen sie eine historisierende Tracht, die irgendwie "echt" altdeutsch wirkte. Ein krasser Mittelalterwahn brach aus! Geharnischte Ritter stürmten die deutschen Theater. Alte Burgen und ebenso alte Tugenden wie Treuherzigkeit und Aufrichtigkeit waren plötzlich das Thema! Und wem es nicht gefiel, der konnte die innovativen Künstler gerne mal kreuzweise…!