7. Mai 1934 Taucher findet die "Perle Allahs"
Die Perle wiegt über sechs Kilo und hat eine Form, die an ein Gesicht mit Turban erinnert. Am 7. Mai 1934 wurde bei den Philippinen die "Perle Allahs" geborgen - und schnell kamen die ersten Legenden auf. Die trieben den Preis der gar nicht so hübschen Perle in astronomische Höhen. Autorin: Christiane Neukirch
07. Mai
Dienstag, 07. Mai 2024
Autor(in): Christiane Neukirch
Sprecher(in): Krista Posch
Redaktion: Thomas Morawetz
Über jenen unförmigen Gegenstand, der am 7. Mai 1934 aus den Tiefen philippinischer Gewässer geborgen wurde, gibt es nur wenige gesicherte Aussagen. Zum Beispiel diese. Erstens: Es handelt sich dabei, biologisch gesehen, um eine Perle. Zweitens: Sie wiegt 6,4 Kilo und ist 23 Zentimeter lang. Drittens: Damit ist sie die größte bekannte Perle der Welt.
Tödlicher Schließmuskel
Jenseits dieser Fakten beginnt die Legende. Besser gesagt mehrere.
Schon die Geschichte ihres Fundes hat mehrere Varianten. Die dramatischste ist wohl diese: Philippinische Perlentaucher machen bei einem ihrer Tauchgänge eine grausige Entdeckung. Eingeklemmt zwischen den Schalen einer Riesenmuschel finden sie den toten Körper eines Kollegen. Die Muschel, in der er gesucht hat, hat sich geschlossen und ihn zerquetscht. Die Riesenmuscheln vor den Philippinen werden bis zu 1,40 Meter groß; ihr Schließmuskel ist so stark, dass er einen Menschen ohne weiteres zermalmt. Die Taucher bringen die Muschel mitsamt dem Toten an Land und stoßen dort auf die Sensation, die den Kollegen das Leben gekostet hat: die Giga-Perle. Weil ihre Form die Finder an ein Gesicht mit Turban erinnert, geben sie ihr den Namen "Perle Allahs".
Zurück zu den Fakten: Die Perle wandert in den Besitz des Stammeshäuptlings der Insel Palawan. Der Amerikaner Wilburn Cobb erfährt von dem Fund und reist dorthin, um dem Besitzer die Perle abzukaufen. Vergebens. Der Häuptling, ein Moslem, erklärt, die "Perle Allahs" sei heilig und unverkäuflich. Doch ein Zufall kommt Cobb zu Hilfe: Der Sohn des Häuptlings erkrankt an Malaria. Cobb, der die nötigen Kenntnisse hat, behandelt und rettet ihn. Zum Dank bekommt er nun die Perle geschenkt. Diese Geschichte ging, von Zeitungen verbreitet, um die Welt.
Das Amulett des Philosophen
Doch das Fundstück trägt noch einen anderen Namen: die "Perle des Lao Tse". Und der hat mit ihrer Entstehung zu tun - zumindest einer weiteren Legende nach. Denn sie ist so viel größer als die nächstgrößten ihrer Art, dass man sich fragte, wie sie in die Muschel hineingekommen sein mochte. Und dazu hörte Cobb folgende Antwort von einem Chinesen namens Li, der tatsächlich behauptete, die Perle zu kennen: Seinen Anfang nahm das seltsame Juwel in China. Sein Kern ist ein Amulett aus Jade, das ein Schüler des Philosophen Lao Tse im 6. Jahrhundert v. Chr. in eine Muschel gelegt hatte, auf dass sie ein Perle darum bilde. Die Muschel tat, wie ihr vom Philosophen und von ihrer biologischen Veranlagung geheißen, und hüllte den Fremdkörper in harten Muschelkalk. Als die Perle zu groß wurde, verpflanzte man sie in eine größere Muschel - und so immerfort, 2.500 Jahre lang. Kriege sollen um die Perle geführt worden sein, und um sie zu schützen, transportierte man sie weit fort, zu den Philippinen. Dort ging sie im Sturm verloren - bis zu jenem 7. Mai 1934.
Doch so groß und schwer sie sein mag, so stolz ihr Preis von 40 Millionen Dollar - schön ist sie nicht, die größte aller Perlen. Nicht nur unförmig ist sie, sondern auch glanzlos. Denn Riesenmuscheln haben kein Perlmutt wie andere perlenbildende Muschelarten. Vielleicht hat man dieses Exemplar deshalb mit so vielen Legenden geschmückt, um ihm zu einem Glanz anderer Art zu verhelfen.