Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. September 1852 Herr "Alex" setzt sich zur Ruhe

Vom Tellerwäscher zum Millionär - oder vom Sohn eines armen Münsteraner Regierungsboten zum weltberühmten Zauberer. Letzteres schafft "Herr Alexander". Er verwirklicht seinen Traum, bespielt Bühnen auf allen Kontinenten, wird gefeiert und bestens bezahlt. Dann aber bekommt er Heimweh. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 25.09.2023 | Archiv

25.09.1852: Herr "Alex" setzt sich zur Ruhe

25 September

Montag, 25. September 2023

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Im Frühling 1839 zog Fritz Heimbürger aus dem westfälischen Münster in die Welt hinaus, um als Zauberer reich und berühmt zu werden. Betrübt winkten die Eltern der Postkutsche nach – ein Tagedieb und Hungerleider, das würde seine Zukunft sein!

Drei Jahre später kehrte Fritz vierspännig im eigenen Reisewagen zurück, elegant ausstaffiert und mit zwei Dienern. Er nannte sich nun Alexander, und die Münsteraner wussten aus der Zeitung, dass er in ganz Norddeutschland Furore gemacht hatte, gefeiert in Theatern, an Fürstenhöfen und in den Salons von Hamburger Großbankiers.

Eine richtige Nummer

Alexander Heimbürger war einer der Pioniere, die die Zauberei aus Jahrmarktsbuden und Wirtshaussälen auf die großen Bühnen brachten. Sie traten als Künstler auf statt als Gaukler und waren nicht nur Großmeister der Taschenspielerei, sondern nutzten natürliche Phänomene für spektakuläre Illusionen. Als "Experimente in Chemie, Pneumatik, Optik und Magie" kündigte "Herr Alexander" seine Show an. Das beeindruckte ein Publikum, das sich für neue wissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfindungen begeisterte.

Naturwissenschaft und Magie

In Münster gab er triumphale Vorstellungen im Stadttheater, eine tiefe Befriedigung für den ehemals unbeachteten Sohn eines kleinen Regierungsboten. Berühmt war er nun also, und reich genug, um seinen großen Plan zu verwirklichen: Amerika.
Im Februar 1844 landete er in New Orleans. Acht Jahre lang tourte er durch den Kontinent, von Kanada bis Argentinien, und trat im Weißen Haus und vor dem Kaiser von Brasilien auf. Kreuz und quer reiste er durch die Vereinigten Staaten, die allerdings nur ein Drittel so groß waren wie heute, und nahm New York im Sturm. Eine Zeitung zählte ihn zu den bestverdienenden Bühnenkünstlern, und etliche Hochstapler zogen unter seinem Namen herum. Herman Melville erwähnt ihn im Roman "Moby Dick“ so, als müsste ihn jeder kennen, was wohl auch der Fall war. Herr Alexander – Herr Alex – war ein Superstar.

Aber es kam der Punkt, wo er entweder ein neues Programm brauchte oder ein neues Publikum. Herr Alexander zog nach Süden. Er reiste zu Pferd quer durch Mexiko, durch Dschungel und Gebirge, hatte mit Banditen, Erdbeben und Revolten zu tun und umrundete Kap Horn auf einem Segelschiff. Doch so sehr er Bewunderung und Applaus genoss – ihn plagte das Heimweh. Er hatte genug verdient, um komfortabel von den Zinsen seines Kapitals leben zu können.

Am 25. September 1852 stieg Alexander Heimbürger in Münster aus der Eisenbahn, um sich zur Ruhe zu setzen. Er war zweiunddreißig Jahre alt. Sein letztes großes Zauberkunststück bestand darin, die standesstolzen Kaufleute und Regierungsräte der Stadt von seiner ärmlichen Herkunft und der Quelle seines Wohlstands abzulenken – denn bei allem Beifall war die Bühne etwas Anrüchiges, Zwielichtiges – und sie zu überzeugen, dass er einer der Ihren sei.
Und es gelang. Er wurde Mitglied im exklusivsten Herrenklub, einer Jagdgesellschaft und im Fastnachtskomitee, erwarb ein Haus, heiratete, zog eine große Familie auf und erfand ein Abführmittel, das sich gut verkaufte. Abrakadabra.


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