25. August 1920 Internationale Dada-Messe endet
Die Erste Internationale Dada-Messe war eine Absage an die bürgerliche Kultur und ein gehöriger Impuls für die Entwicklung der modernen Kunst wie Pop Art, Konzeptkunst, Objektkunst und Surrealismus. Autorin: Brigitte Kohn
25. August
Dienstag, 25. August 2020
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Wer im August 1920 die internationale Dada-Messe in Berlin besuchte, traf auf jede Menge Puppen. Puppen mit Glühbirne statt Kopf und Revolvern statt Armen, Puppen in Uniform mit Schweinemasken statt Gesicht, Puppen mit dem Eisernen Kreuz auf dem Hintern. An den Wänden hingen gezeichnete Karikaturen von lasterhaften Generälen, Kriegsteilnehmern mit krebsartigen Stahlprothesen und Lazarettgehilfen, die kübelweise amputierte Körperteile entsorgen. Neben unverständlichen, aber wohlklingenden Lautgedichten wie "Karawane jolifanto bambla ô falli bambla" von Hugo Ball warben auch schlichtere Parolen um Aufmerksamkeit: "Nehmen Sie Dada ernst, es lohnt sich!"
Narrenspiel aus dem Nichts
Dada ist eine Künstlerbewegung, die sich von Zürich aus nach dem Ersten Weltkrieg international ausbreitete und den Militarismus, die bürgerlichen Werte und das bürgerliche Kunstverständnis attackierte. Sie stellte die Kultur, die diesen Krieg ermöglicht hatte, radikal in Frage, und zwar, wie der Maler Max Ernst schrieb "mit Angriffen auf die Grundlagen der Zivilisation, Angriffen auf die Sprache, Syntax, Logik, Literatur, Malerei". Und Hugo Ball, der geistige Vater der Bewegung und Erfinder des Lautgedichts, beschrieb Dada als "Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind".
Neben diesen beiden wagten sich Künstlerinnen und Künstler wie Hannah Höch, Emmy Hennings, Hans Arp, John Heartfield, Wieland Herzfelde, George Grosz, Otto Dix und viele andere in die unerforschten Bereiche jenseits der überlieferten Bedeutungen und Sicherheiten. Man lehnte jedes Kunstpathos ab, holte sich Inspirationen aus der Welt der Technik und Reklame und verfertigte Collagen und Montagen aus den Produkten der Massengesellschaft. Programmatik war verpönt, die Weltanschauungen sehr unterschiedlich, und Dilettanten durften auch mitspielen.
Sind wir nicht alle Dada?
Und davon gab es viel zu viele, fand der Publizist Kurt Tucholsky. Man sei von neun bis sieben Uhr ununterbrochen zersetzend lustig und satirisch aufgelegt – "ein Dadaismus gegen drei Mark und dreißig Pfennige Entree", spottete er nach dem Besuch der Ausstellung. Nur die bitterbösen antimilitaristischen Karikaturen von George Grosz fanden Gnade vor seinen Augen. Als sich Grosz wegen Beleidigung der Reichswehr vor Gericht verantworten musste, ging Tucholsky zur Verhandlung und hoffte auf ein bisschen Dada im Gerichtssaal. Da war aber nichts. George Grosz zeigte sich einsilbig, und sein Verteidiger behauptete, das habe sein Mandant doch alles gar nicht so gemeint. Tucholsky war enttäuscht.
Dada, schrill, explosiv, aber kurzlebig, hatte sich abgenutzt. Das Ende der Berliner Messe am 25. August 1920 läutete auch das Ende der Bewegung ein. Langfristig gesehen ist der Einfluss von Dada nicht zu unterschätzen. Nicht nur der Surrealismus trägt seine Spuren, bis heute sind viele Formen von Aktionskunst, Konzeptkunst und Pop-Art von ihm geprägt. Es hat längst einen bedeutenden Platz im Pantheon der Avantgarde, und irgendwie sind wir alle bis heute ein bisschen Dada.