30. Dezember 2005 Internationaler Tag des Frühstücksspecks
Um ein Weltreich zu errichten, braucht man eine anständige Grundlage im Bauch. Ohne Bacon and Eggs kein Britisches Empire. Aber im Laufe der Zeit haben Cornflakes dem englischen Frühstück den Rang abgelaufen – und das Empire zerfiel. Autorin: Isabella Arcucci
30. Dezember
Montag, 30. Dezember 2019
Autor(in): Isabella Arcucci
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Als in den 1890er Jahren Dr. John Harvey Kellogg seine damals noch steinharten Frühstücksflocken auf den amerikanischen Markt brachte, ahnte niemand, was daraus einmal werden sollte. Eine kulinarische Katastrophe globalen Ausmaßes! Denn der überzeugte Vegetarier Kellogg wollte der Menschheit mit seinen Cornflakes die Fleischeslust austreiben – und das schon am frühen Morgen. Dabei hatte eine Fleischorgie zum Frühstück in vielen Ländern gute Tradition. Zum Beispiel in England.
Die Segnungen der englischen Küche
Bereits im Mittelalter besaßen selbst ärmere englische Familien mindestens ein Schwein, das sie im Winter schlachteten. Oft wurde das komplette Tier von der Schnauze bis zur Zehe eingepökelt. Ein Vorrat für den ganzen Winter – wäre da nicht die Kirche gewesen und ihre strengen Fastengebote. Am Rosenmontag bürgerte sich daher der Brauch ein, noch einmal alle Vorräte zu plündern und mit gebratenen Eiern und duftendem Speck ein wahres Festmahl zu veranstalten. Es war der Vorläufer des Full English Breakfast. Doch erst im Laufe der Geschichte sollte sich die Kombination Bacon and Eggs als britische Frühstückstradition etablieren. Zunächst freilich nur für die Reichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg startete dann auch die Arbeiterklasse mit Speck, Eiern, Bohnen, Pilzen und Würstchen in den Tag. Doch vor allem die Kombination Bacon and Eggs sorgte, im Gegensatz zu anderen Segnungen der englischen Küche, weltweit für Furore, weshalb im Jahr 2005 drei Collegestudenten aus den USA sich bemüßigt fühlten, den "International Bacon Day", den "Internationalen Tag des Frühstücksspecks" auszurufen, der nun von Speckliebhabern weltweit jedes Jahr am 30. Dezember kulinarisch gefeiert wird. Doch seit einigen Jahrzehnten ist der Fortbestand von Bacon and Eggs durch den Siegeszug der Cornflakes bedroht.
Bacon and Eggs – Fundament für ein Weltreich
Die Mitglieder der "British Breakfast Society", der "britischen Frühstücksgesellschaft", stellen sich dem mutig entgegen. Auf ihrer Website feiern sie die Tradition des wahren englischen Frühstücks. Erinnert es doch an jene glorreichen Tage Anfang des 20. Jahrhunderts, als King Edward VII mit ordentlich Bacon im Bauch auf seinem kleinen Pony auf Moorhuhn-Jagd gehen konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass er nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit wieder daheim bei Frau und Mätresse war. Denn: im Empire ging ja nie die Sonne unter… Der Autor und Gastronomiekritiker Tom Parker-Bowles, Sohn von Camilla und Stiefsohn von Prince Charles, stellt in einem Frühstücksinterview mit der BBC einen erstaunlichen Zusammenhang zwischen dem English Breakfast und der Glorie des Empire her. Genüsslich seinen Bacon mampfend doziert Parker-Bowles, dass sich beispielsweise mit einem kleinen französischen Croissant im Magen, kein Weltreich errichten ließe. Die Basis des Empire, stellt Parker-Bowles zufrieden schmatzend fest, sei Bacon and Eggs!
Manch einem mögen deshalb bei dem Genuss von Speck mit Spiegelei die Tränen kommen. Vor Rührung über das köstliche Essen - und vor Kummer. Denn das Empire ist Vergangenheit. Schuld sind sicher die Cornflakes.