Bayern 2 - Das Kalenderblatt


2

3. Februar 1945 Jakob, Humboldts Papagei, verliert Flügel bei Granatenangriff

Jakob, ein Großer Vasapapagei, lebte 30 Jahre zusammen mit dem Naturforscher Alexander von Humboldt. Die überlieferten Gespräche sind ernüchternd. Jakob wurde trotzdem berühmt. Nicht zuletzt, weil er Zweiten Weltkrieg seine linke Seite verlor. Autorin: Prisca Straub

Stand: 03.02.2021 | Archiv

03.02.1945: Jakob, Humboldts Papagei, verliert Flügel bei Granatenangriff

03 Februar

Mittwoch, 03. Februar 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Gesprächig war Jakob sein Leben lang. Doch die Konversation mit ihm war auf Dauer ein wenig - eintönig. Angeblich kannte der Große Vasapapagei nur einen einzigen Satz - und den wiederholte er bei jeder Gelegenheit: "Viiel Zucker, viiel Kaffée, Herr Seifert!" - mehr war leider nicht drin. Über 30 Jahre lebte der Vogel im Haushalt von Alexander von Humboldt, wo dessen Diener Seifert offenbar vorwiegend damit beschäftigt war, dem geschätzten Dienstherrn regelmäßig aufzuwarten. Doch während sich der berühmte Gelehrte jahraus jahrein recht wortkarg über seinen Schreibtisch beugte, fehlte dem Geselligkeit liebenden Jakob möglicherweise etwas Inspiration.

"Viel Zucker, viel Kaffée, Herr Seifert!"

Als Humboldt ihm zum ersten Mal begegnete, war Jakob schon durch mehrere Hände gegangen. Von seiner Heimat Madagaskar hatte er es bis an den Hof von Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach geschafft. Ein stattliches Tier mit dem für Vasapapageien typisch schiefergrau glänzenden Gefieder. Das aufgeweckte, damals schon etwa 40-jährigeTier hinterließ tiefen Eindruck auf den knapp 60-jährigen Humboldt, der nach seinen ausgedehnten Forschungsreisen rund um den Globus nun wirklich schon allerhand gesehen hatte. Jedenfalls - als der Großherzog einige Monate später starb, erhielt er das Tier. Und so gründete Humboldt mit Jakob und Herrn Seifert in Berlin eine Herren-WG: "Viiel Zucker, viiel Kaffée!" So in etwa …

Unter Jakobs Fittichen erlebte Humboldt eine enorm produktive Zeit. Er führte eine weitverzweigte Korrespondenz, er schrieb sogar einen Aufsatz über das munter vor sich hinplappernde Haustier, der aber leider verlorenen ging. Das Zusammenleben der beiden war dabei durchaus auch tiefsinnig. So viel ist überliefert: Eines Tages fragte der gebrechliche Mann das alternde Tier, wer von beiden wohl als erster sterben würde - "Viiel Zucker, viiel Kaffée, Herr Seifert!" - Der Papagei wurde mit 75 Jahren übrigens bemerkenswert alt - er starb 1859 nur wenige Monate vor seinem gelehrten Herrn.

Jakob - ein ramponiertes Präparat

Doch auch nach seinem Tod ging Jakobs Geschichte weiter. Er wurde dem heutigen Museum für Naturkunde in Berlin übergeben, ausgestopft und auf einer Sitzstange fixiert. Gemeinsam mit 20.000 weiteren sogenannten Stand-Präparaten saß er in der ornithologischen Sammlung - und damit erneut lange Jahrzehnte in einer schweigsamen Umgebung. Die Federn bleichten aus, der Schnabel wurde porös. Und dann auch das noch: Am 3. Februar 1945 traf ein amerikanischer Bomber das Gebäude. Dabei büßte Jakob seinen linken Flügel ein - und die langen Schwanzfedern. Der Bauch wurde aufgerissen, die Kopffedern verkohlten. Es fehlte nicht viel und seine traurigen Überreste wären entsorgt worden. Wäre er nicht Humboldts Hausgenosse gewesen, Jakob wäre höchstwahrscheinlich nie wieder zusammengeflickt worden. So reist er aber heute - wie früher sein Herrchen - rund um den Globus und nimmt an bedeutenden Ausstellungen teil, die das Vermächtnis des berühmten Forschers feiern: "Viiel Zucker, viiel Kaffée, Herr Seifert!"


2