11. Mai 1945 Kamikazeflugzeuge treffen US-Flugzeugträger USS Bunker Hill
Kamikaze- und Kaiten-Piloten begingen Selbstmord für ihr Land. Freiwillig wie es hieß. Manche von ihnen waren erst 17 Jahre alt. Gebracht hat Japan dieses Opfer nichts. Bis heute ist der Begriff Kamikaze eine stehende Wendung, der traurige Ursprung bleibt dabei meist ausgeblendet. Autorin: Isabella Arcucci
11. Mai
Mittwoch, 11. Mai 2022
Autor(in): Isabella Arcucci
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Naoji ist 21 Jahre alt, klein, schmächtig. Ein "typischer" Jura-Student an der kaiserlichen Universität von Tokio. Bis zum Herbst 1943. Japan droht, den Krieg im Pazifik zu verlieren. Naoji wird zwangseingezogen. Seine erste Station: die "Militärakademie für U-Boot-Bekämpfung". Naoji langweilt sich. Als Freiwillige für den Einsatz an einer neuartigen, gefährlichen Waffe gesucht werden, die angeblich Japan den Sieg bringen wird, ist Naoji dabei. Wenn er schon sein Studium abbrechen musste, dann will er auch kämpfen, seine Heimat vor den Feinden schützen!
Naoji wird Kaiten-Pilot. Die Schriftzeichen für Kaiten bedeuten: "in den Himmel zurückkehren". Noch ahnt Naoji nicht, was das wirklich bedeutet ...
Grüße an Kudô
Es geht darum, sich in einem kleinen Motorboot im Dunkeln einem Objekt zu nähern und, kurz bevor das Boot das Ziel rammt, ins Meer abzuspringen. So das Training. Beim richtigen Einsatz werden die jungen Soldaten nicht in Motorbooten sitzen, sondern in Unterwasser-Torpedos, die beim Rammen des feindlichen Ziels explodieren.
Aber wie soll man kurz vor dem Aufprall aus dem Torpedo entkommen? Naoji und die anderen trauen sich nicht zu fragen, aus Angst, als Feiglinge dazustehen, als Schande für die eigene Familie, für ganz Japan. Die Kaiten genannten Torpedos, seien hochspezialisierte Waffen, niemand brauche Bedenken zu haben, so die Ausbilder. Mehr Information gibt es nicht.
Einer der Kameraden ist bereits auf der Einsatzbasis. Er schickt Naoji und den anderen Nachzüglern eine Postkarte mit nur einem Satz darauf: "Grüßt Kudô von mir." Der Geheimcode für: "Keine Möglichkeit sich zu retten." Naoji und seine Kameraden sollen bei ihrem Einsatz sterben.
Gezwungene "Freiwillige"
Die "Selbstmordkommandos", die mit Flugzeugen oder bemannten Torpedos feindliche Ziele attackierten, waren eine letzte verzweifelte Kampfhandlung in einem für Japan bereits aussichtslos gewordenen Krieg. Doch oft verfehlten die Kamikaze-, die Götterwind-Flugzeuge und die Kaiten-Torpedos ihr Ziel. Über 3000 Männer und Jungens im Alter zwischen 17 und 28 Jahren starben bei den Einsätzen. Einige wussten von Anfang an, auf was sie sich einließen, andere wie Naoji begriffen es zu spät. Wirklich "freiwillig" gemeldet, wie es bis heute heißt, hatte sich keiner von ihnen. Die Gehirnwäsche durch das nationalistische Regime, das erdrückende Pflichtgefühl gegenüber Vaterland und Gottkaiser und die Drohung, Schande über die eigene Familie zu bringen, wenn man sich weigerte, dem Freiwilligenaufruf zu folgen, waren stärker als die Furcht vor dem Tod.
Naoji kam nie zum Einsatz. Er überlebte und konnte später in einem Buch offen über seine Erfahrungen schreiben, über seine Verzweiflung und seine Angst.
Anders die beiden Kamikaze-Piloten, die am 11. Mai 1945 mit ihren Flugzeugen den US-Flugzeugträger USS Bunker Hill trafen, schwer beschädigten, einen Großteil der Besatzung töteten und ihr eigenes Leben ließen. Gebracht hat ihr Opfer Japan nichts. Nur vier Monate später erklärte der Tennô die bedingungslose Kapitulation.