28. Mai 1859 Letze Ausgabe der "Household Words" von Charles Dickens erscheint
Ein schiefer Haussegen kann einiges bewegen. Das muss der berühmte Autor Charles Dickens erkennen, den seine Frau ob seiner außerehelichen Amouren geschäftlich und gesellschaftlich ordentlich stutzt. Autorin: Justina Schreiber
29. Oktober
Montag, 29. Oktober 2012
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in England weder Body-Styling-Kurse noch Weight Watchers-Programme. So verwundert es nicht, dass Mrs Dickens nach ihren zehn Schwangerschaften wesentlich unförmiger und unvorteilhafter aussah als davor. Auch dürfte ihr Charakter während der 22 Ehe-Jahre an der Seite eines literarischen Shooting-Stars nicht gerade an Lieblichkeit gewonnen haben. Inwieweit ihre Eifersucht tatsächlich krankhaft war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall enttäuschte sie ihren Gatten gewaltig, weil sie ihm seine jungen Verehrerinnen nicht gönnte – wo er doch aus seiner Vorliebe für zarte Kindfrauen nicht einmal einen Hehl machte.
Unverstandener Gatte…
Als dann auch noch ein Gold-Armband, das ins Haus geliefert wurde, nicht ihr, sondern einem dieser sanften Engel zugedacht war, begann ein Rosenkrieg, in dem Mrs Dickens ihre spitze Zunge gekonnt einsetzte. Ihren Vorwurf allerdings, dass die junge Schauspielerin Ellen Ternan seine Mätresse sei, wollte Charles Dickens nicht auf sich sitzen lassen. Denn was außerehelichen Sex betraf… nicht mit ihm, dem tugendhaften Menschenfreund, dem Verfechter sozialer Gerechtigkeit, der, wo er nur konnte, den hartherzigen Industriekapitalismus kritisierte.
So nicht!
Der Verfasser der anrührenden Weihnachtsgeschichte "A Christmas Carol" trat die Flucht nach vorne an und publizierte eine persönliche Erklärung. Und zwar auf der Titelseite der Zeitschrift "Household Words", die er seit Jahren herausgab. Bevor die Leser über den Zynismus des Parlaments und die schlechten hygienischen Verhältnisse in den Slums aufgeklärt wurden oder sich auf den Fortsetzungsroman stürzen konnten, bekamen sie von ihm schon seinen häuslichen Ärger aufgetischt. Die Entfremdung von der geistig verwirrten Gattin sei ja wohl nachvollziehbar, da sie ihm nun nicht mehr das Wasser reichen könne. Peinlich, peinlich.
War er es nicht gewesen, der Catherine auf die Rolle der Hausfrau und Mutter zurechtgestutzt hatte? Von seinem Anteil am Kindersegen ganz zu schweigen.
Die Öffentlichkeit nahm dem Schriftsteller die mangelnde Galanterie übel. Auch seine Verleger hielten zu den Hogarths, also zu Catherine und ihren Eltern, die tüchtig mitmischten. Am 28. Mai 1859 erschien die letzte Ausgabe der "Household Words", der "Alltagsworte", bei Bradbury & Evans in London. Dickens, in Geldgeschäften nicht ungeschickt, erwarb die Rechte, um aus dem alten Blatt ein neues, besseres zu machen. Glücklicherweise konnten ihm Freunde die Idee ausreden, den Namen "Household Harmony", also "Häusliche Harmonie", zu wählen. Es lief dann wieder auf ein Shakespeare-Zitat hinaus, dieses Mal aus "Othello": "All the Year Round", "All die Jahre hindurch" übertraf die Verkaufszahlen der Vorgänger-Zeitschrift weit. Auch Dickens‘ neuem Roman schadete der Skandal nicht. Im Gegenteil. Eine jährliche Abfindung von 600 Pfund für Catherine war also durchaus drinnen.