10. Oktober 1859 Männerbund "Schlaraffia" gegründet
Etwas seltsam benehmen sie sich schon, die Mitglieder des Männerbundes "Schlaraffia", aber ein Standesdünkel ist ihnen fremd. Am 10. Oktober 1859 wurde der erste Schlaraffen-Club in Prag gegründet. Autor: Xaver Frühbeis
10. Oktober
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Männer sind lustige Gesellen. Sie wollen ganz oben sein, wollen mehr Geld haben und vornehmer geboren sein als alle anderen, und wenn sie dann mehr Geld haben und vornehmer geboren sind, sehen sie auf die anderen herab und machen sich über sie lustig. Männer hocken gern gesellig beieinander bei Speis und Trank und deftiger Rede, die mit weniger Geld aber und von minderer Geburt, die sollen bitte anderswo hocken und nicht bei ihnen. Auch sonst halten Männer die alten Werte hoch, sie lieben die Kunst und gute Musik und pflegen ew'ge Freundschaft, und falls es jemand wagen sollte, einem der ihren Schmach und Kränkung zuzufügen, dann steh'n sie zusammen wie ein Mann und wissen sich zu wehren.
Ein großer ausgestopfter Uhu
Anno 1859, im ersten Jahr des Uhus, geschah es zu Prag, dass Franz Thomé, der Direktor des Deutschen Theaters, seinen Bassisten Albert Eilers zur Aufnahme in den elitären Künstlerclub "Arcadia" empfahl. Dort jedoch wollten die vornehm gebor'nen Herren von dem minder bemittelten Eilers nichts wissen, er wurde abgelehnt, wobei das böse Wort "Proletarier" fiel. Erzürnt sagte Direktor Thomé dem Club Adieu, einige seiner Freunde nahm er mit sich, und dann gründeten sie einen Konkurrenzverein, den sie zuerst - trotzhalber - "Proletarier-Club" nannten. Weil aber ein Mann mit Trotz und Konkurrenz allein nicht glücklich sein kann, dachten sich unsere tapf'ren Recken für ihre Zusammenkünfte einen vornehmen Zweck aus, die Pflege nämlich von Kunst, Freundschaft und Humor. Und weil sie ihr Vorhaben sehr idyllisch dünkte, gaben sie dem Verein gleich auch noch den Namen, den er heut' noch hat. Aus den "Proletariern" wurde "Schlaraffia". Dies geschah am 10. Oktober 1859 zu Prag.
Von nun an trafen die Schlaraffen einander regelmäßig zu Speis und Trank und kunstvollem Tun, und weil an der Wand, heißt es, ihres Gasthauses ein großer, ausgestopfter Uhu hing, sei einer von ihnen auf die Idee verfallen, den Vogel zum Clubmaskottchen zu nehmen und vor allem: ihre Zeitrechnung nach ihm zu richten.
Seither gilt den Schlaraffen das Jahr ihrer Gründung als "Jahr 1 des Uhus - Anno Uhui".
Ritter Taktfest, der Tönebanner
Und die Schlaraffen stellten fest, dass sie ohne Schlaraffia nicht sein konnten. Sobald einer von ihnen in die Welt hinauszog, gründete er an seinem neuen Heimatort sofort einen neuen Schlaraffen-Club. Heute zählt man weltweit an die zehntausend Schlaraffen in 257 Clubs, wobei allerdings die Schlaraffen sie gar nicht "Clubs" nennen, sondern, in ihrer eigenen, künstlich antiquierten Schlaraffensprache: "Reyche". Sie selber tragen klangvolle Namen wie "Ritter Taktfest, der Tönebanner" oder "Graf Schneidertödter von der Pegnitz", auf ihren Treffen, "Sippungen" genannt, essen sie nicht noch trinken sie, vielmehr "atzen" und "laben" sie sich, und wenn dabei Musik erklingt, heißen sie das Klavier ein "Clavicimbel" und die Gitarre ein "Minneholz". Über seinem Alltagsgewand trägt der Schlaraffe am Sippungsabend einen bunten Umhang mit Ritterhelm und Schwert, und wiewohl "Schlaraffia" streng genommen immer noch ein reines Männerreich ist, freut man sich, wenn zuweilen ein paar Burgfrauen und -maidlein ihre Zusammenkünfte ins optisch Angenehme heben. Es geht vergnüglich zu bei den Schlaraffen, und überhaupt nicht elitär. Das hat man gelernt aus der Geschichte, damals, im Jahre eins des Uhus.