5. Februar 1969 Motorrad-Rennen in der Kunstakademie
Weil die Studentenrevolte nicht so recht Fahrt aufnehmen will, treten einige Kommilitonen aufs Gas. Um den Muff unter den Talaren hinauszubefördern, veranstalten sie in der Münchner Kunstakademie ein Motorrad-Rennen. Es war ein Wendepunkt des Studentenaufstands im künstlerisch-akademischen Bereich. Autorin: Regina Fanderl
05. Februar
Montag, 05. Februar 2024
Autor(in): Regina Fanderl
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Frank Halbach
"Hundsbuam miserablige!" - so in der Art wird wohl der Hausmeister geschimpft haben, als plötzlich mit infernialischem Krach Motorräder durch die langen Gänge der Kunsthochschule an der Akademiestraße in München bretterten. Die Studenten hatten den 5. Februar 1969 als den "Tag des Zweirads" ausgerufen. In der Absicht, das Establishment einzuschüchtern, die Akademie zu entweihen und gegen die braune Vergangenheit so manch altgedienter Professoren zu protestieren.
Neben wenigen schweren Maschinen waren hauptsächlich Mopeds und Fahrräder beteiligt. So dick hatten es die revoltierenden Studenten Ende der 60er dann doch noch nicht. Einer hatte sein Fahrrad mit einem Hilfsmotor von Sachs getunt (also damals hieß das "aufgerüstet") und zugunsten einer effektiveren Akustik den Auspuff abgeschraubt. Vergessen die etwas getrübte Stimmung im Vorfeld, weil aus den Verhandlungen mit der Firma Continental nichts geworden war. Der Reifen-Hersteller hatte ein Sponsoring der Aktion abgelehnt, aber immerhin Start-und Zieltransparente geschickt. Und einen Straßenatlas! Man war der Meinung, die Akademie sei nur der Ausgangspunkt für ein Rennen - irgendwohin!
Wohin sie auch rennen ...
Während des Spektakels standen zwei Hundertschaften der Polizei vor der Tür. Dass sie draußen blieben, war dem damals amtierenden Akademiepräsidenten Schorsch Brenninger zu verdanken. Der Bildhauer aus Niederbayern machte von seinem Hausrecht Gebrauch und ließ keinen herein, weil er eine Eskalation vermeiden wollte.
Einem Foto nach zu schließen, ging es sehr lustig zu bei dem Happening in den abgasgeschwängerten, aber noch immer ehrwürdigen Hallen, in denen Kaulbach oder Schwanthaler lehrten und Kandinsky, Klee oder Corinth lernten. Es war der Wendepunkt des Studentenaufstands im künstlerisch-akademischen Bereich.
Eifrig und großflächig
Am 20. Februar veranlasste Kultusminister Ludwig Huber die erste Schließung der Künstler-Hochschule. 123 Kommilitoninnen und Kommilitonen wurden für eine Nacht ins Polizeipräsidium an der Ettstraße gebracht. Am 4. Juni bemalten die Künstler in Ausbildung eifrig und großflächig die vielen weißen Wände des Verwaltungstrakts. Mit Comics und Graffitis, aber auch mit richtigen Fresken, meist politischer oder erotischer Natur. Die Abgeordneten des Bayerischen Landtags, die den Tatort gewissenhaft in Augenschein genommen hatten, erklärten, dass sie nie vorher so etwas Obszönes, Perverses und Gotteslästerliches gesehen hätten. Die Akademie wurde ein zweites Mal geschlossen. Als sie zum Wintersemester 1969/ 70 wieder öffnete waren die alten Zöpfe weitgehend ab. Die Studentenvertretung ASTA bekam mehr Geld und die Studenten mehr Rechte.
Übrigens: Sieger des Zweirad-Rennens war Bruno Karbacher, ein schneidiger Bursch mit einem feschen Kaiser-Franz-Josef-Bart . Er lebt heute als Holzbildhauer daheim im Berchtesgadener Land und erinnert sich daran, dass nach der Gaudi in der Akademie eine Faschingsgaudi in der Max-Emanuel-Brauerei angesagt war. Denn wie sagte schon Oscar Wilde? Ziel der Kunst ist, einfach eine Stimmung zu erzeugen.