Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Juni 1851 "The National Era" beginnt mit Abdruck von "Onkel Toms Hütte"

Angetrieben von ihren Beobachtungen und ihrem Glaubenseifer brachte Harriet Beecher Stowe jede Woche eine Fortsetzung heraus: "Onkel Toms Hütte" schildert das Schicksal afroamerikanischer Sklaven und ihrer Eigentümer in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten von Amerika. Autorin: Carola Zinner

Stand: 05.06.2024 | Archiv

05.06.1851: "The National Era" beginnt mit Abdruck von "Onkel Toms Hütte"

05 Juni

Mittwoch, 05. Juni 2024

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

Wie schreibt man einen Bestseller? Die Frage müsste angesichts der vielen Handbücher, Kurse und Tipps zum Thema eigentlich längst geklärt sein. Und doch geht die Sache meist daneben, und das manchmal so haarscharf, dass es direkt ungerecht ist. Wie etwa bei Pastor Henson und seinem 1849 veröffentlichten Buch: "Das Leben von Josiah Henson, einst ein Sklave, jetzt Einwohner von Kanada, von ihm selbst erzählt", wo er seine Kindheit und Jugend auf der Farm eines skrupellosen Weißen in Maryland schildert, seine Hinwendung zum Christentum und die Flucht mit Frau und Kindern nach Kanada.

Zum Bestseller als Fortsetzungsroman

Die Geschichte wurde tatsächlich ein Bestseller, aber eben nicht in Hensons Version, sondern in dem Fortsetzungsroman, den Harriet Beecher-Stowe daraus machte. Am 5. Juni 1851 erschien in der Zeitschrift "The National Era" die erste Folge von "Onkel Toms Hütte", der über 40 Monate hinweg die Zeitungsleser in Bann hielt und anschließend als Buch Millionenauflagen erreichte. Dabei war das gar nicht unbedingt Beecher-Stowes Ziel gewesen. Die erklärte Gegnerin der Sklaverei hatte vielmehr mit der Geschichte auf ein eben von den Südstaaten durchgepeitschtes Gesetz reagiert, nach dem nun auch die Nordstaaten entflohene Sklaven wieder ihren einstigen Besitzern auszuliefern hatten. Welches Leben dort auf die Unglücklichen warten mochte, ließ sich nun anschaulich anhand der beiden Protagonisten mitverfolgen, unter denen Beecher-Stowe Hensons Schicksal quasi aufgeteilt hatte, dem tiefgläubigen Tom, der anfangs treu das Gut seines Besitzers verwaltet, dann jedoch von diesem aus Geldnot ebenso verkauft wird wie Hauptfigur Nummer zwei, die junge Eliza, die die Flucht wagt und es nach vielen Wendungen gemeinsam mit ihrer Familie bis nach Kanada und damit in die Freiheit schafft.
Tom hingegen, der sich in würdevoller Demut in sein Schicksal fügt, wird von Frau und Kindern getrennt und mehrfach verschachert, bevor er bei einem skrupellosen Plantagenbesitzer landet, der ihn misshandelt und am Ende totschlägt.

Rassistische Klischees?

Sehr, sehr traurig, das Ganze, aber in der anschaulichen Gegenüberstellung von Frömmigkeit und Verantwortungslosigkeit, Gottvertrauen und unmenschlicher Härte irgendwie auch unwiderstehlich: Selbst der hartherzigste Leser wird spätestens weich, wenn der im Sterben liegende Tom als wahrer Schmerzensmann seinem Peiniger doch auch noch vergibt. Was dann allerdings spätere Zeitgenossen Beecher-Stowe nicht so richtig vergeben konnten, die sie beschuldigten, mit der dunkelhäutigen Hauptfigur ihres Romans sämtliche rassistischen Klischees bedient zu haben. Und tatsächlich sah die Sache im wahren Leben ein bisschen anders aus als in der literarischen Version: Pastor Henson, mittlerweile Farmer in Kanada, schrieb dort nicht nur seine Autobiographie, er reiste auch immer wieder nach Boston und half Sklaven bei der Flucht, um deren Ausbildung er sich anschließend auch noch kümmerte. Einen Bestseller allerdings konnte man damals mit so einer Geschichte wohl wirklich nicht landen.


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