23. April 1976 Palast der Republik in Ost-Berlin eröffnet
Großtiere eindrucksvoll in Szene gesetzt: Auf den Ruinen des ehemaligen Preußenschlosses baut Heinz Graffunder einen Repräsentationsbau der Spitzenklasse - den Ost-Berliner Palast der Republik. Autorin: Prisca Straub
23. April
Donnerstag, 23. April 2020
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Mit Behausungen für große Tiere kennt er sich aus, da hat DDR-Architekt Heinz Graffunder nicht zu viel versprochen. Und tatsächlich - nach nicht mal drei Jahren Bauzeit funkelt auf der Ost-Berliner Spreeinsel ein langgestreckter Gebäude-Riegel wie ein kostbares Schmuckstück. Verspiegeltes Bronzeglas, eingefasst in weißen Marmor: der Palast der Republik. Am 23. April 1976 schäumt der Rotkäppchen Sekt. Es riecht nach Lederpolstern und edlen Tropenhölzern. Erich Honecker tanzt Walzer unter mehr als tausend Kugelleuchten. Planerfüllung geglückt. Der DDR-Prunkbau ist eröffnet.
Honeckers Palast - Vorzeigebau des Sozialismus
Auf den Ruinen des ehemaligen Preußenschlosses haben Heinz Graffunder und sein Planungskollektiv einen Repräsentationsbau der Spitzenklasse errichtet. Ein Multifunktionshaus mit modernster Verwandlungstechnik - schwenkbares Parkett, höhenverstellbare Decken, verschiebbare Wände - ein sechseckiger Großer Saal für tausende von Menschen. Außerdem: ein Theater, eine Diskothek, eine Bowlingbahn - moderne Stahlrohrmöbel, quietschbunter Velours, ein lichtdurchflutetes Foyer, dutzende Restaurants und Cafés. - "Palazzo Prozzo", spöttelt der Volksmund. Der Palast der Republik wird das Großkulturzentrum der DDR für jährlich etliche Millionen Besucher und ein Ort der Begegnung - für die kleinen Leute und die großen Tiere an der Staatsspitze. Eine Bühne für Volkskammer und Parteitagsempfänge. Aufmärsche nimmt die SED-Führung vom Schaubalkon der gut 200 Meter langen Hauptfassade ab, gekrönt vom Staatswappen des Arbeiter- und Bauernstaats mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz. - Chefarchitekt Graffunder erhält noch im Eröffnungsjahr den "Nationalpreis der DDR erster Klasse".
Alfred-Brehm-Raubtierhaus - Wo die großen Tiere wohnen
Es war übrigens nicht die erste Ehrung dieser Art. Nur wenige Jahre zuvor hatte Heinz Graffunder diesen Preis schon einmal entgegengenommen. Auch damals für einen Vorzeigebau - eine Raubtieranlage für Löwen und Tiger im Ost-Berliner Tierpark Friedrichsfelde.
Auch hier hatte er Großtiere eindrucksvoll in Szene gesetzt - in einer künstlichen Felsenlandschaft mit Wassergräben und einer glasüberdachten Tropenhalle, in der Riesenflughunde in den Baumwipfeln hingen. - Mit über 5.000 Quadratmetern galt das Alfred-Brehm-Haus als das größte seiner Art - und seit der Eröffnung 1963 als "Meilenstein zur Erreichung des Sozialismus". Trotz des leicht strengen Geruchs.
Doch - es gibt noch ein letztes Prestigeprojekt, mit dem Heinz Graffunder von sich hätte reden machen müssen. Wenn ihm nicht die deutsch-deutsche Geschichte dazwischen gekommen wäre: Das neue Elefantenhaus in Friedrichsfelde hätte ein weiterer Meilenstein werden sollen für Graffunder und den Sozialismus. Doch die Eröffnung im Herbst 1989 ging unter - in den Turbulenzen des Mauerfalls. Und es kam noch schlimmer: Nach nur 14 Jahren Betrieb wurde der Palazzo Prozzo, der Palast der Republik, wegen Asbestbelastung geschlossen, entkernt. Das Stahlskelett-Gerippe wenige Jahre später abgerissen. Auf seinen Ruinen haben nun wieder die Preußen ihr Schloss gebaut.