14. September 1970 Pinguin-Pool im Londoner Zoo wird Kulturerbe
1934 war der Pinguin-Pool von Ove Arup im Londoner Regent’s Park das Modernste, was die damalige Zeit architektonisch hergab. Leider wurde auf die Bedürfnisse der Pinguine weniger Wert gelegt. Autorin: Prisca Straub
14. September
Montag, 14. September 2020
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Name
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Thomas Morawetz
Es passiert nicht oft, dass man Pinguinen die Karriere verdankt. Doch das, was der Ingenieur Ove Arup für den neuen Pinguin-Pool im Londoner Zoo ertüftelt hatte, war atemberaubend - das Modernste, was die 1930er Jahre hergaben: zwei kühn ineinander verschlungene, scheinbar frei im Raum hängende Betonrampen. Arup, der Brite mit den dänischen Wurzeln, hatte Neigungswinkel und Plattenstärke so berechnet, dass die freikragende Struktur ohne Stützpfeiler über der Wasseroberfläche - zu schweben schien! Strahlendweiße Spiralen über einem tiefblauen Becken. Eine technische Meisterleistung. Mehr avantgardistische Skulptur, denn Tiergehege. In das mondäne Rondell zog eine stattliche Pinguin-Kolonie. Als der Pool viele Jahre später am 14. September 1970 zum britischen Kulturerbe erklärt wurde, konnten der Ingenieur und sein Lieblingsbaustoff Stahlbeton auf eine lange, eindrucksvolle Karriere zurückblicken. - Die Pinguine waren die einzigen, die nicht applaudierten.
Spirale aus Stahlbeton für Pinguine
Denn tatsächlich: Inzwischen watschelten Humboldt- und Goldschopf-Pinguine schon fast 40 Jahre über die U-förmigen Rampen. Mit ihren krallenbewehrten Füßen - optimal, um auf Felsen Halt zu finden und von einer Eisscholle zur nächsten zu springen - schlidderten die Tiere unbeholfen über den abschüssigen Stahlbeton. Haltungsfehler führten zu einer Fehlbelastung der Gelenke, zu Druckstellen und schließlich zu einer hartnäckigen Entzündung der empfindlichen Fußballen. Die Pinguine standen sich buchstäblich die Füße platt - auch weil ihr Pool mit nur einem halben Meter Wassertiefe viel zu flach zum Tauchen war.
Während der Zoo nach Lösungen für die chronischen Fußprobleme suchte - vergeblich! - und außerdem feststellte, dass die Pinguine wenig Lust auf Fortpflanzung verspürten, da sie im steinharten Untergrund keine Bruthöhlen graben konnten - ergriff Stahlbeton-Pionier Arup die Gelegenheit seines Lebens: Er trat ins ganz große internationale Rampenlicht mit technischen Berechnungen für das Opernhaus von Sydney.
Retter des Opernhauses in Sydney
Arups Kollege Jørn Utzon hatte die Ausschreibung für das extravagante australische Prestigeobjekt gewonnen. Jetzt, da es um die konkrete Umsetzung ging, benötigte er fachmännischen Rat. Jahrelang tüftelte Arup über Utzons unausgegorenen Skizzen. Konstruierte Dutzende von Modellen mit den charakteristischen hintereinander gestaffelten, muschelförmigen Dächern aus Beton. Versuchte von der Originalidee zu retten, was zu retten war. Selbst nachdem sein Kollege das halbfertige Projekt hingeworfen und Australien auf Nimmerwiedersehen verlassen hatte. Dass das Opernhaus von Sydney eine architektonische Weltsensation wurde, ist vor allem Ove Arups Beharrlichkeit zu verdanken. Sie trug ihm Preise und den Ritterschlag ein.
Und die Pinguine im Londoner Zoo? Sie mussten umziehen. Zunächst behelfsmäßig ins Flamingo-Gehege, bis ihre neue Anlage fertig war - auf natürlichem Untergrund und mit viel Platz zum Tauchen. Sir Oves leerer Pool, das Kulturerbe, ist immer noch da… Ein Vorfahr der Oper von Sydney.