9. Juli 1934 Ohren auf! Handelsname Q-Tipp wird eingetragen
Weil er nicht mitansehen kann, mit was seine Frau in den Ohren des Babys puhlt, um die sauber zu kriegen, erfindet Leo Gerstenzang Wattestäbchen. Erst lässt sich die Watte nicht am Stäbchen befestigen, dann kauft die Stäbchen keiner – inzwischen gehören sie weltweit in die Badezimmer. Autor: Simon Demmelhuber
09. Juli
Dienstag, 09. Juli 2024
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Schau nur, wie sie strampelt, sich durchstreckt, mit den Ärmchen rudert! Wie sie kräht! Und dann, wenn sie dich ansieht und ihr Lachen in dir aufgeht - mehr Glück geht einfach nicht! Ach Betty! Kaum zwei Handvoll Leben, so zerbrechlich, so hilflos, und trotzdem das Zentrum der Welt. Na ja, vielleicht nicht gleich der ganzen Welt. Aber für Leo Gerstenzang bestimmt.
Ein halbes Jahr ist Betty jetzt alt, und noch immer hat sich Leo nicht satt gestaunt, wenn seine Frau die Kleine füttert, wickelt und badet. Wie liebevoll Ziuta (Sjúda) mit Betty umgeht, lässt den stolzen Vater jedes Mal vor Seligkeit überfließen.
Angst ums Babyohr
Nur eine Sache findet Leo gar nicht gut. Die mit den Holzstäbchen nämlich. Um Bettys Ohren zu säubern, wickelt Ziuta lose Watte um das spitze Ende eines Zahnstochers und ackert mit diesem Räumzeug in der Ohrmuschel herum. Doch was, wenn das Baby plötzlich zuckt und sich der blanke Hartholzstachel ins Trommelfell bohrt? Was, wenn sich der Wattebausch löst und im Gehörgang stecken bleibt? "Ist mir noch nie passiert", sagt Ziuta, "und außerdem machen das alle so!"
Was alle tun, juckt Leo freilich wenig. Er vertraut lieber dem eigenen Kopf. Und der sagt ihm, dass gepolsterte Putzstäbchen ja eigentlich recht praktisch sind. Oder genauer wären. Dazu müsste man sie allerdings industriell herstellen, gebrauchsfertig anbieten und ihre Handhabung narrensicher machen.
Wie bleibt die Watte am Stäbchen?
Dagegen spricht nur ein Problem: Wie lässt sich Watte so fest um ein Stäbchen spinnen, dass sie nicht abrutscht? Drei Jahre dauert es, bis Leo diese Nuss knackt: Er nimmt Geld auf, berät sich mit Werkzeugbauern, probiert herum und am Ende ist sie wirklich einsatzbereit: Seine Maschine, die den Holzstochern ein solides Wattehäubchen überzieht.
Dann wird es ernst: Ziuta und Leo gründen ein Unternehmen, das ab 1925 maschinell produzierte Wattestäbchen unter dem Namen Baby Gays vermarktet. Das Zeug ist praktisch, der Preis moderat, der erhoffte Absatzrenner sind die Tupfer jedoch erst einmal nicht. Aber warum? Liegt es tatsächlich am Namen, wie manche Ratgeber meinen? Leo, der aus Polen stammt, und nach wie vor mit dem Englischen ringt, hat ihn selbst ausgesucht, weil gay fröhlich bedeutet. So fröhlich, wie Betty quiekt, wenn man sie mit dem Wattestäbchen kitzelt. Dass gay für amerikanische Ohren eine Nebenschwingung hat, geht ihm erst allmählich auf.
Na gut, sagt sich Leo und stellt den Baby Gays 1926 das Güteversprechen Quality Tips voran. Weil das auf Dauer zu sperrig ist, und alle bald nur noch Q-Tips sagen, lassen Ziuta und Leo die eingebürgerte Kurzform am 9. Juli 1934 auch offiziell im Markenregister eintragen. Betty, die 2017 mit 94 Jahren stirbt, erzählt die Taufgeschichte gern ein wenig anders. "Dass Q für Quality steht, ist natürlich Quatsch" betont sie zeitlebens mit gekonnt kokettem Augenaufschlag. "Das Q kommt selbstverständlich von Cute, weil ich so ein unwiderstehlich süßes Baby war."