12. Februar 1924 "Rhapsody in Blue" uraufgeführt
Als Experiment war sie angekündigt, George Gershwins "Rhapsody in Blue", ein Versuch Sinfonik und Jazz zu verbinden. Das Experiment wurde weltberühmt.
12. Februar
Mittwoch, 12. Februar 2020
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Vom Straßenjungen zum weltberühmten Komponisten: Ein Lebenslauf wie der von George Gershwin ist inzwischen schwer vorstellbar. Heute gehört die Straße den Autos und ein musikalisches Spitzentalent schon früh der Musikindustrie. Das Kind George Gershwin hingegen, geboren 1898, fand Sport viel spannender als Musik und bretterte täglich auf Rollschuhen durch die Straßen der Lower Eastside von New York.
Der Entdecker
Es gab in diesem Stadtteil viel zu sehen. Immigranten aus aller Welt betrieben da ihre Restaurants und Geschäfte, russische und türkische Bäder, jüdische Theater, Billardsalons, Zigarrenladen und Wettbüros. Georges Eltern, aus Russland eingewanderte Juden, hatten mit Musik nichts zu tun, und der Junge musste sie selbst für sich entdecken: in den Spielhallen zum Beispiel, in denen automatische Klaviere nach Geldeinwurf selbsttätig vor sich hinklimperten.
Oder eines Tages in der Schule, als der Zehnjährige zufällig das Geigenspiel eines begabten Mitschülers zu hören bekam. Die klassischen Töne trafen George tief, wie eine Offenbarung vollkommener Schönheit. Die Jungen freundeten sich an, aber auf Dauer kamen sie doch nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Der eine liebte die Klassik, und der andere träumte von einer Vermischung der Musikstile. George mochte eben alles, die Klassik und den Broadway, den Jazz und den Blues. Er brachte sich selbst das Klavierspielen bei, suchte sich Lehrer und eroberte mit seinem erfindungsreichen, lebhaften Spiel die Musikwelt im Sturm.
Auch als Komponist machte er sich schnell einen Namen. Songs wie „"Lady be Good" und "Summertime" sind Evergreens geworden. Und mit der "Rhapsody in blue" schaffte er schon mit 25 Jahren den Sprung aufs Konzertpodium.
Eine Frage der Form?
Bei der Uraufführung am 12. Februar 1924 saß der junge, gutaussehende Komponist selbst am Klavier, und das New Yorker Publikum reagierte begeistert.
Ein musikalisches Experiment wie dieses, das die Harmonien des Blues, die Rhythmik des Jazz und konzertante Sinfonik miteinander verbindet, war so noch nicht dagewesen. Amerika hatte seine eigene musikalische Stimme gefunden, gewagt und neu, mit inspirierten Melodien, die die Gefühle vieler Menschen unmittelbar ansprachen.
Nur die Musikkritiker, die spitzten ihre Bleistifte und nörgelten herum. Sie fanden die Form nicht befriedigend, vermissten stringenten Ausdruck, expressive Substanz, musikalische Kontinuität und dergleichen mehr. Nun ja, wenn man akademische Maßstäbe zugrunde legen will, stimmt das sogar. Aber George Gershwin wollte etwas anderes, und zwar ein musikalisches Kaleidoskop von Amerika schaffen, das Tempo, die Vitalität und den melancholischen Blues einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft einfangen. Man kann die Rhapsody auf viele Weisen und mit unterschiedlichen Instrumenten spielen, sie hört sich immer wieder anders an und doch erkennt man sie sofort, und jeder kann sich auf seine ganz eigene Weise von ihr beschwingt fühlen.