3. Mai 1840 Richard Wagner bietet sich Giacomo Meyerbeer als "Sclave" an
Richard Wagner ist pleite. Nicht das erste Mal im Leben und sicher nicht das letzte Mal, aber so, dass er auf die ldee kommt, sich als Sklave verkaufen zu wollen. Es will ich nur keiner. Vielleicht auch besser für Wagner, der später doch noch zu Ruhm und Geld kommt. Autor: Xaver Frühbeis
03. Mai
Dienstag, 03. Mai 2022
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es ist schrecklich. Unser Mann leidet große Not. Keiner interessiert sich für seine Opern, niemand will seine Musik hören, er ist jung, frisch verheiratet, woher soll er das Geld nehmen in der teuren Stadt, will man ihn denn verhungern lassen? Gottseidank hat unser Mann ein, zwei Gönner, die ihn ab und zu ein wenig unterstützen. Und die er, wenn's ganz hart auf hart kommt, um Geld anbetteln kann. Giacomo Meyerbeer vor allem, den umjubelten Großmeister der Pariser Oper. Er hat unserem Mann aus der deutschen Provinz, diesem unbedeutenden Niemand namens Richard Wagner, öfter schon eine kleine Summe zukommen lassen. Auch Arbeit hat er ihm beschafft, aber es sind Lakaienaufträge, Noten abschreiben und dergleichen, es ist erniedrigend und bringt kaum was ein. Und so muss unser Mann jetzt mal wieder zur Feder greifen.
Geld muss her ... !
"Paris, den 03. Mai 1840" - Wagner schreibt deutsch, Meyerbeer ist gebürtiger Deutscher und momentan in Berlin. - "Mein innig verehrter Herr und Meister!" - Wagner schlägt einen unterwürfigen Tonfall an. - "Sie werden wohl begreifen, daß ich mich der gerührtesten Thränen nicht enthalten kann, wenn ich des Mannes gedenke, der mir Alles ist." -
Wagner ist es leid. Die ewige Bettelei, die immerdauernden Hilferufe, diese Schmeicheleien. - "Mein angebeteter Gönner, als Sie mir anstatt des kleinen Fingers, den ich erbeten, zwei volle Hände reichten ... " - Meyerbeer hatte Empfehlungsbriefe geschrieben und ihm Türen aufgetan. Dummerweise sind diese Türen von anderen Leuten immer wieder zugeschlagen worden. Nun hat ihm zwar einer der berühmtesten Opernlibrettisten Hoffnungen gemacht, aber Wagner ist jetzt schon pleite. "Ich habe nicht mehr, um das Ende des schönen Mai sehen zu können. So verkomme ich und mein Weib dazu. Und ist das nicht vielleicht schade?"
Bettelbrief. Antwort erbeten.
Es muss Arbeit her. Irgendwelche niederen Lakaiendienste, früher verhasst, jetzt bettelt er darum. "Ich bin auf dem Punkte, mich verkaufen zu müssen ... Mein Kopf und mein Herz gehören schon nicht mehr mir, das ist Ihr Eigen, mein Meister, mir bleiben höchstens noch meine Hände übrig. Ich muß Ihr Sclave werden, um Nahrung und Kraft zur Arbeit zu erhalten." - Wir müssen ein wenig übertreiben jetzt. - "Ich werde ein treuer, redlicher Sclave sein, denn ich gestehe offen, daß ich Sclaven-Natur in mir habe. Mir ist unendlich wohl, wenn ich mich rücksichtslos hingeben kann. Kaufen Sie mich darum, mein Herr, Sie machen keinen ganz unwerthen Kauf. Bringen Sie mich in den schönen Winter hinein, vielleicht zahle ich da schon Zinsen."
Starke Worte sind das. Ob die ziehen? Immerhin ist Meyerbeer Millionär. Vielleicht wäre es geschickter, ihn einfach ganz direkt um irgendeine hübsche Summe anzugehen ...
"Ein fünf und zwanzig hundert Franken werden mir in den nächsten Winter helfen. Wollen Sie sie mir leihen?" - Wagner hat Geliehenes noch nie zurückgezahlt. Das weiß Meyerbeer sicher nicht ... Jetzt noch eine pathetische Abschluss-Floskel: - "Hier bin ich, hier ist der Kopf, das Herz und hier die Hände - Ihres Eigenthumes - Richard Wagner."
Einen Monat später bittet Wagner Meyerbeer für diese unterwürfige Bettelei um Entschuldigung. Unter Freunden hat er eh längst ganz andere Töne angeschlagen. Da nennt er Meyerbeer - hinter vorgehaltener Hand - einen "Hans-Narren" und Nichtskönner. Und später, als die Not vorüber ist und sich auch bei ihm der Erfolg eingefunden hat, hat Wagner seinen Gönner auch öffentlich verleumdet und schlechtgemacht. Meyerbeer selbst hat zu alldem vornehm geschwiegen.