Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Mai 1976 "The Who" spielen lautestes Rockkonzert

Schneller, heftiger, lauter - so wollen es die Musiker von "The Who" der Welt nochmal zeigen. Viele sagen, Rock sei veraltet und bloß noch was für Opas. Punk will lauter sein, bunter und schriller. Aber bei diesem Konzert in London zeigt die Band von Pete Townsend, dass sie immer noch am lautesten ist. Autor: Markus Mähner

Stand: 31.05.2023 | Archiv

31.05.1976: "The Who" spielen lautestes Rockkonzert

31 Mai

Mittwoch, 31. Mai 2023

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

London am 31.Mai 1976. Es ist der Vorabend der Geburt des Punk. Überall schimmern pinke Haare und schrille Aufnäher in der sonst so grauen Stadt. Die Jungen Wilden sind bereit, dem Muff des in ihren Augen so angestaubten Rockmusikbusiness den Mittelfinger zu präsentieren. Keine Opernhaften Rhapsodien wie bei Queen, keine Gitarrensoloexzesse wie bei Pink Floyd. Nein einfach "voll auf die Schnauze". So klingt es bei den Sex Pistols, die gerade ihre ersten Konzerte im "100 Club" in der Oxford Street gespielt haben. The Damned sind taufrisch gegründet, The Clash proben - noch ohne Schlagzeuger - in einem besetzten Haus.

Punk is here

Doch an diesem Montag, dem 31. Mai 1976, sind es tatsächlich britische Rockopis, die zeigen was "voll auf die Schnauze" wirklich heißt. Und: So alt sind sie auch gar nicht, die vier Musiker aus London, die an diesem Tag das Fußballstadion im Stadtteil Charlton aufheizen. Vor allem der Schlagzeuger der Band, Keith Moon, 30 Jahre alt, lässt alle Punks als brave Arbeiterkinder aussehen. Der anerkannt "größte Rowdy der Rockgeschichte" lärmt wie verrückt, übergießt Fernsehreporter mit Wodka und zerstört mal wieder sein ganzes Equipment. Mehr Punk-Attitüde geht eigentlich gar nicht! Pete Townshend, Gitarrist und Mastermind der "Who", wirbelt seine Gitarre und seine Arme besser denn je. Und Sänger Roger Daltrey hubschraubt das Mikrophon an seinem Kabel bis über die Köpfe der ersten Reihen.

Dreh auf!

Und ja, es ist laut! Sehr laut sogar! Rekordverdächtig laut! Guinnessbuch-reif laut!
Der legendäre Eintrag in das Buch der Superlativen verzeichnet noch 30 Meter vor den Lautsprechern sagenhafte 126 Dezibel! Dagegen sind Kreissägen oder das Signalhorn eines Krankenwagens vergleichsweise ruhige Zeitgenossen. Ja selbst der Start eines Flugzeugs ist nicht so laut wie das Konzert der "Who" an diesem Tag. Und was für ein Erfolg: Damit übertrumpfen sie sogar den Lautstärkepegel eines Deep Purple-Konzertes, bei dem vier Jahre zuvor drei Menschen bewusstlos wurden. Oh ja, das ist Rock n Roll!

Und tatsächlich soll dieses Konzert noch lange in Erinnerung bleiben. Auch wenn in 1980er Jahren die Hardrockbands Manowar und Motörhead den Rekord brechen - und in den 2000er Jahren nochmals überflügelt werden. Doch da hat das Guinnessbuch die Kategorie "Lautestes Rockkonzert" längst eingestellt, da dies nicht mehr zeitgemäß sei. Who-Gitarrist Townshend, inzwischen selbst mit Hörproblemen, hat bereits eine Stiftung gegründet, die Rockmusiker auf die Gefahren des Lärms aufmerksam machen soll. Und Schlagzeuger Keith Moon ist bereits 30 Jahre tot. Er starb gut zwei Jahre nach dem - auch deswegen - denkwürdigen Konzert. Denn für "The Who" war es der letzte Auftritt in Urbesetzung in ihrer Heimatstadt London - an diesem letzten Maitag 1976.

Vier Tage später findet in Manchester ein Konzert der "Sex Pistols" statt, das allgemein als der Startschuss des Punk gilt. Anfang Juli spielen die amerikanischen Punkrocker "The Ramones" ihr erstes erfolgreiches Konzert - natürlich in London - und lernen draufhin die Musiker von "The Clash" - inzwischen mit Schlagzeuger - und die "Sex Pistols" kennen. Der Punk ist nun nicht mehr aufzuhalten!


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