16. August 1858 Queen Victoria und US-Präsident James Buchanan testen erstes transatlantisches Telegraphenkabel
Ein Kabel, das die Welt veränderte: aus ihm wuchs Rückgrat der Kommunikation zwischen Europa und Nordamerika. Noch heute verläuft die Internetverbindung zwischen den beiden Kontinenten am Grunde des Atlantik. Und doch ist die Geschichte vom Anfang globaler Kommunikation auch die Geschichte eines Scheiterns. Autor: Manuel Rauch
16. August
Mittwoch, 16. August 2023
Autor(in): Manuel Rauch
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Frank Halbach
Hey Siri! Sende Nachricht an James: "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden."
Zugegeben, ein Satz, den man eher aus der Kirche kennt, als aus dem Chat mit Freunden. Und doch ist er für unsere moderne Kommunikation nicht ganz unwichtig. Es sind die ersten Zeilen, die Tausende Kilometer zurücklegen – von Europa nach Amerika – über ein Kabel in den Untiefen des Atlantiks.
Die elektrische Telegraphie ist damals – Mitte des 19. Jahrhunderts – zwar schon erfunden. Eine Nachricht aber so weit unter Wasser zu verschicken – das ist neu.
Geharztes Kabel
Dafür musste rund zehn Jahre zuvor erst das Harz des Guttapercha-Baumes auf der Insel Sumatra entdeckt werden. Leutnant Werner Siemens entwickelt eine Maschine, die mit dem Harz Kabel ummanteln kann – als Isolierung. Die Telegrafen-Bauanstalt "Siemens & Halske" geht in Betrieb.
1850 wird das erste Seekabel zwischen England und Frankreich verlegt. Einen Tag aber, nachdem die erste Message an Napoleon rausgeht, wird das Kabel von einem Fischerboot zerstört. Das Nachfolge-Kabel geht ein Jahr später in Betrieb.
Doch die Visionäre denken noch größer. Sie wollen ganze Kontinente vernetzen. Der New Yorker Geschäftsmann Cyrus W. Field wagt mit seinem Unternehmen schließlich das Unfassbare: Ein mehr als 4.000 Kilometer langes Unterseekabel soll Irland mit Neufundland verbinden.
Es bringt 9.000 Tonnen auf die Waage. Die beiden größten Kriegsschiffe nehmen jeweils die Hälfte des Kabels auf.
Von der Mitte des Atlantiks nehmen sie Kurs auf ihren jeweiligen Kontinent und versenken das Kabel hinter sich im Meer. Immer wieder reißt es. Anfang August 1858 steht dann endlich die Verbindung.
Ein paar Tage später nehmen Queen Victoria und US-Präsident James Buchanan den neuen "Messenger-Dienst" in Betrieb und schicken sich Glückwunsche. Die erste Nachricht kommt aus England – an jenem 16. August 1858. Ein Zitat aus dem Weihnachtsevangelium. Anschließend preist Victoria das neue Kabel als "Verbindung zwischen den Nationen, deren Freundschaft auf ihrem gemeinsamen Interesse und ihrer gegenseitigen Wertschätzung beruht." Mit knapp 100 Wörtern ist die erste transatlantische Message zwar nicht ganz twitter-tauglich – für damalige Verhältnisse aber doch kurz und bündig, wenn auch nicht gerade schnell.
Geschlagene 16 Stunden kämpfen sich die Kurznachrichten durch das Seekabel. Selbst für heutige DSL-Kunden auf dem Land eine lange Zeit.
Nachrichten mit News-Wert
Und: Das Signal wird von Tag zu Tag schwächer. Nur einen Monat später ist die Verbindung down. Ein Ingenieur hatte die Spannung erhöht – bis das Kabel durchbrannte. Gerade mal 400 Nachrichten hatte es bis dahin transportiert. Echten News-Wert hatten dabei die wenigsten. Der Großteil: Verständnisfragen wie "Repeat please!"
Einige Jahre später soll es ein neues Kabel mit besserer Isolierung richten. 1866 schließlich liegt das erste Kabel im Atlantik, das Amerika und Europa langfristig verbindet.
Heute liegen weltweit rund 400 Seekabel auf dem Meeresgrund. Über sie kommunizieren wir in Echtzeit mit Menschen überall auf der Welt. Die Datenübertragung ist schneller geworden, die Sprache einfacher. Der News-Wert aber nicht immer größer.