5. Februar 1967 Vicco von Bülow führt durch die erste Folge von "Cartoon
In der Fernsehserie "Cartoon" stellte Loriot internationale Zeichentrickfilme vor. Er empfing dabei bekannte Karikaturisten auf einem roten Sofa, das sein Markenzeichen werden sollte. Autorin: Anja Mösing
05. Februar
Freitag, 05. Februar 2021
Autor(in): Anja Mösing
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Das Sofa war rot. Fünf Jahre lang.
Und die Serie war ein Meilenstein. Sonnenklar!
Ein Meilenstein für den deutschen Humor und für den Moderator selbst. Der war zwar auch vorher schon berühmt – aber naja – wie populär ist schon das Gesicht eines Karikaturisten?
"Meine sehr verehrten Damen und Herren"
Am Abend des fünften Februar 1967 war Vicco von Bülows Gesicht für das Fernsehpublikum daheim noch neu. Als er etwas steif und sehr schlank auf die Kamera zuging, eng umrahmt von drei Studio-Wänden, modern tapeziert mit übergroßen und sehr kleinen Buchstaben, die das Wort Cartoon ergaben, da sah der Moderator sehr seriös aus. Im grauen Dreiteiler mit blütenweißem Hemd und Krawatte begrüßte er die Zuschauer höflich mit: "Meine sehr verehrten Damen und Herren".
Dann erklärte er ohne Umschweife das damals sehr fremde Wort Cartoon, ganz wie ein Nachrichtensprecher: sachlich und mit eingeblendeten historischen Fotos. Er schloss mit den Worten: "Der Begriff Cartoon hat sich für humoristische Zeichnungen eingebürgert. Soviel zum Thema unserer Sendereihe."
Aha. Interessant. Irritierend nur, dass haargenau ins Ende seines Satzes etwas hinein raschelte. Und zwar laut! Völlig zusammenhanglos tauchte ein Mann auf. Ebenfalls im ordentlichen Anzug. Er durchschritt zügig von hinten aus der Kulisse heraus das Bild und beschäftigte sich dabei geräuschvoll mit seiner Tageszeitung, die er auseinanderzog und wieder zusammenlegte, um umzublättern und immer so weiter, bis er nicht mehr zu sehen war. Der Moderator stellte ihn ungerührt vor: "Das ist Herr Störk." Und machte dann weiter.
Humoranstiftung aller erster Güte
Der Kontrast zwischen hart errungener Sachlichkeit und plötzlich einbrechendem, sanft gebremstem Wahn, das war typisch für den Humor von Loriot. So nannte sich Victor von Bülow damals schon seit zwanzig Jahren – als Karikaturist. Seine Bücher wurden in Millionenhöhe aufgelegt. Nun hatte das Fernsehen den Zeichner kurzerhand als Moderator verpflichtet. Der Genrewechsel war sein Glück! Jetzt konnte Loriot auch sein Gefühl für Timing und Präzision beweisen: in Sketchen, die schnell legendär wurden.
Gedacht war Cartoon nur als kurze Fernseh-Serie über den neuen, gezeichneten Humor auf der ganzen Welt. Comics, Zeichentrickfilme – lauter prickelnde, damals noch heiß diskutiertes Genres. Bei Loriot gab es Fach-Gespräche auf dem roten Sofa und eingespielte, kurze Beiträge über Szene-Größen wie Shel Silverstein, über die Macher von Asterix und Obelix, bis hin zum Erfinder der Mainzelmännchen.
Als das internationale Material zu Ende ging, lieferte Loriot einfach noch mehr Eigenes zu, Zeichentrickfilme mit knollnasigen Menschen und vor allem Sketche und Parodien. Aus Geldmangel er trat darin immer öfter selber auf. Mitte der Siebziger Jahre bot ihm Radio Bremen eine sechsteilige TV-Serie an – nun mit grünem Sofa – und nannte sie einfach Loriot. Da war schon ganz Deutschland diesem feinen Mann und seinen humorvollen Attacken verfallen: komplett menschenliebend waren die und entwaffnend und wurden von mehreren Generationen auswendig gelernt. Der ganze Mann war eine Humoranstiftung aller erster Güte!