15. Mai 1890 Volksgarten Nymphenburg eröffnet, größter Vergnügungspark Deutschlands
Nicht mehr auf die Dult warten müssen oder den Jahrmarkt, sondern jeden Tag Spaß und Unterhaltung haben, das versprach damals Deutschlands größter Vergnügungspark, der Volksgarten Nymphenburg. Autorin: Carola Zinner
15. Mai
Dienstag, 15. Mai 2018
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Natürlich gab es Stau, natürlich waren die öffentlichen Verkehrsmittel überfüllt und alle Parkplätze belegt. München war schließlich in den letzten Jahren zur überfüllten Boom-Town geworden. Und DIESES Ereignis wollte sich niemand entgehen lassen, weder die gespickten Großkopferten noch die vielen Zuwanderer, bei denen es gerade so zum Überleben reichte.
Genauso hatten es sich Heinrich Theodor Höch und Hugo Oertel auch vorgestellt, die beiden "Väter" des Nymphenburger Volksgartens, dem "Größten Vergnügungs-Etablissement Deutschlands". Am 15. Mai 1890 wurde er feierlich eröffnet.
Spaß!!!!
Die Rollen der beiden Unternehmer waren klar aufgeteilt: Höch, ein Bauspekulant, sorgte für die Finanzen und das Grundstück, ein vier Hektar großes Gelände außerhalb der Stadt, an der Grenze zwischen dem Stadtteil Neuhausen und dem Vorort Nymphenburg; Oertel kümmerte sich um die Auswahl der Unterhaltungsangebote. Der gebürtige Österreicher war zwar erst Anfang 30, besaß aber bereits reichlich Erfahrungen in der Branche: als Impresario einer Zigeunerkapelle und als Manager einer Gruppe von Schwarzafrikanern, die bei Völkerschauen auftraten, hatte er alle großen Vergnügungsstätten Europas kennengelernt.
Und nun also München. Eigentlich war es fast ein Wunder, dass noch niemand vor ihm auf die Idee gekommen war. Schließlich war die Stadt voller Menschen auf der Suche nach Ablenkung. Zu hunderttausenden waren sie in den letzten Jahren vom Land hierher gezogen, wo sie nun schlecht bezahlter Arbeit nachgingen und zur Untermiete wohnten oder als Schlafgänger, was bedeutete, dass ihnen außerhalb der zugeteilten Schlafenszeit nicht mal ein Bett zur Verfügung stand. Für die Freizeit blieb somit nichts anderes als die Straße, das Wirtshaus und die Unterhaltungsetablissements, die prompt in jener Zeit reihenweise aus dem Boden schossen. Der Volksgarten jedoch, konzipiert für 30 000 Besucher, brachte eine neue Dimension in die Szene.
Hinein ins Vergnügen!
Zwanzig Pfennig, schon bekam jedermann (und jede Frau) Eintritt zu einem Gelände mit prachtvollen Gebäuden, die auf dem ersten Blick dem nahegelegenen Nymphenburger Schloss kaum nachstanden: Türme und Erker, Musikpavillons und künstliche Landschaften mit Felsgrotten und Almhütten, dazu eine große Festwiese. Hier war der Kunde König, und es erwarteten ihn königliche Vergnügungen: Radrennen und Völkerschauen, Akrobaten und Märchenerzähler, Csárdás-Tänzer und ein Hippodrom, dazu jede Menge Restaurants und Cafés, Biergärten, Würstchenstände und Hühnerbratereien.
Während man auf dem Land nach wie vor ausschließlich zu bestimmten Anlässen feierte – an Kirchweih, nach der Ernte, bei der Dult – und das recht bescheiden mit Tanz, Bier und Schmalznudeln und vielleicht noch einer aus Baumstämmen zusammengezimmerten Wippe, war in München nun jeder Tag ein Festtag. Der Volksgarten war das weithin sichtbare Zeichen dafür, dass aus dem verschlafenen Residenz-Städtchen eine richtige Großstadt geworden war.
Und ganz im Stil der Großstadt ging die Geschichte des Vergnügungsparks dann auch zu Ende: Rund 25 Jahre nach der Eröffnung musste der Spekulant Höch das Gelände verkaufen. Am Schluss wurde der gesamte Grund zu Bauland. Die Stadt hatte sich inzwischen ausgedehnt, und mit einer Villenkolonie in solcher Lage war richtig Gewinn zu machen!
München war inzwischen eben wirklich eine moderne Großstadt geworden.