Deutscher Buchpreis 2016 "Widerfahrnis" von Bodo Kirchhoff
Wie immer machte es die feierliche Preisverleihung im Frankfurter Römer vor Beginn der Buchmesse noch einmal spannend. Die Bücher der sechs Nominierten der Shortlist wurden mit Filmporträts und jeweils einer kurzen Lesung vorgestellt, im Interview mit dem Jury-Sprecher Christoph Schröder ging es - aus gegebenem Anlass - noch einmal um die Frage, ob die Bücher in der engeren Auswahl denn nun wirklich alles Romane seien.
Und dann verkündete Heinrich Riethmüller, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, wer den renommierten und verkaufsfördernden Preis in diesem Jahr bekommt: Bodo Kirchhoff, der für "Widerfahrnis" ausgezeichnet wurde. Die Novelle verbindet die Geschichte der Italienreise eines späten bürgerlichen deutschen Paares mit der aktuellen Flüchtlingsthematik. Eine Konstruktion, die nicht ohne Risiko ist, die Jury aber überzeugt hat.
"Bodo Kirchhoff erzählt vom unerhörten Aufbruch zweier Menschen, die kein Ziel, nur eine Richtung haben – den Süden. Es treibt sie die alte Sehnsucht nach der Liebe, nach Rotwein, Italien, einem späten Abenteuer. Als sie eine junge Streunerin auflesen, begegnen sie den elementaren Themen ihrer Vergangenheit wieder: Verlust, Elternschaft, radikaler Neuanfang. Kirchhoff gelingt es, in einem dichten Erzählgeflecht die großen Motive seines literarischen Werks auf kleinem Raum zu verhandeln. Gleichzeitig erzählt er von unserer Gegenwart und davon, wie zwei melancholische Glückssucher den Menschen begegnen, die in der Jetztzeit den umgekehrten Weg von Süden nach Norden antreten. Kirchhoffs „Widerfahrnis“ ist ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existentielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt."
Begründung der Jury
Nicht für alle Beobachter gehörte der 68-jährige Bodo Kirchhoff im Vorfeld der Preisvergabe zu den Favoriten. Er selbst, seit 46 Jahren in Frankfurt, hatte, so gestand er in seiner bestens präparierten Dankesrede, in der letzten Zeit zweimal daran gedacht, der Preis könnte tatsächlich an ihn gehen - in Verbindung mit einem echten Frankfurter Aberglauben gewissermaßen: Die Eintracht hatte an jenem Wochenende gewonnen, nach dem die Shortlist bekanntgegeben wurde, und jetzt war es ihr immerhin gelungen, den Bayern ein 2:2 "abzuringen", so Kirchhoff. Offensichtlich tatsächlich ein gutes Omen für ihn, den Frankfurter. "Ich bin sehr viel glücklicher, als man es mir vielleicht ansieht", sagte der Autor.