Neuerscheinungen der Woche Neue Platten von Fink, Kokoko! und Jeff Mills
Unsere Neuerscheinungen der Woche im Überblick. Mit Fink, Kokoko!, Communicant, Aloe Blacc, Jeff Mills, Lupe Fiasco, Oreglo, Dj soFa, Kiasmos, Kasabian, Felice Brothers und Klangkollektor
FINK – Beauty In Your Wake
Ein weiteres elegisches Pop-Album des in Berlin lebenden Briten. Fink, das ist das Trio um Fin Greenall – der zum Aufnehmen gern zurück auf die Insel kehrt. Die einnehmenden Songs entstanden in einem Monat völliger Abgeschiedenheit in einem kleinen Dorf in Cornwall an der Atlantikküste. Dort waren sie die erste Band im neuen Studio von Sam Odell, dem mit einem Grammy prämierten Mixer von The Beatles „Get Back“. Man kann sich auch beim neuen Album wieder vorstellen, dass Songs auf Soundtracks landen können, werden, müssen – wie schon bei „Better Call Saul“ oder „The Walking Dead“. Auf der Platte beschäftigt sich Fin bzw Fink mit großen Fragen: "Wenn du allein auf der Welt wärst, wie würdest du dich nennen? Wie würdest du dich ohne den Druck der anderen sehen? In 'What Would You Call Yourself' geht es um die Macht der Sprache und auch um die Sinnlosigkeit von Namen, Marken und Gimmicks. Es geht um Identität, aber aus sich selbst heraus, nicht um die Identität in Bezug auf andere." Dieser Künstler hat (s)einen Sound gefunden – und auch sich – Gratulation! Man erkennt ihn sofort. Er kommt mit der neuen „Beauty In Your Wake“- Platte auf Tour – ua am 1. August nach Innsbruck ins Treibhaus, nach München ins Backstage 18.10. (7,8 von 10 Punkten)
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So We Find Ourselves
KOKOKO! - Butu
Afro-Punk aus Kinshasa / Demokratische Republik Kongo – der auch auf großen Bühnen funktioniert: egal ob SXSW oder Pitchfork-Festival als auch NPRs Tiny Desk Concert. Und auch in Games wie Grand Theft Auto bzw Fifa. „Butu“ meint „Die Nacht“ – die Stücke fangen die Energie der pumpenden 16-Mio-Metropole West-Afrikas ein. Aber auch die gesellschaftlichen Spannungen hören wir: im Lande kommt es immer wieder zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, Massentötungen und Vertreibungen. Auch weil das Land wichtiger Rohstoff-Lieferant ist. Und die Regierung bestraft politischen Protest, der auf Worten basiert, mit Gefängnis. Dadurch erklärt sich der stumme Protest im Lande: Straßenkünstler arbeiten mit Körper und Klängen, um ihre Kritik auszudrücken. Nicht so Kokoko! (es bedeutet soviel wie ´Klopfen an der Tür´): das Duo hat einen Sänger: Makara Bianko. Zusammen mit Produzent Xavier Thomas aka Débruit macht er wütende elektronische Musik, z. T. mit selbst aus Müll und Elektronik zusammengeschweissten Dosen und Behältern, die sie zu Instrumenten umbauten. Afro-Punk eben. Kann man nach Buraka Som Sistema aus Angola spielen, die auch diese gewisse Härte haben. (8,1 von 10 Punkten)
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Motema Mabe
COMMUNICANT – Harbor Song
Ein intimes Album aus dem Umfeld der umjubelten US-Indie-Heldin Phoebe Bridgers: ihr Gitarrist Harrison Whitford arbeitete an einem Song („Normandy“) mit. Doch Communicant ist selbst kreativ genug. Dylan Gardner, der Kopf der US-Indie-Folk-Band, hat mit 26 schon einiges im Musikbiz erlebt: das Talent wurde schon in Teenie-Jahren von einem Major gesignt, nachdem seine selbst bei Spotify hochgeladenen Songs Klick-Hits wurden, doch der Druck wurde ihm zu groß – und er macht seither alles selbst. Inklusive eigenem Label – Bingo Masters – benannt nach einem Song der britischen Band The Fall. Nach zwei Soloalben und einem Band-Album nun der Zweitling seines Trios. Es geht um Sehnsucht, Verlust, Trost und Hoffnung – wir hören Reminiszenzen an die Beatles, Harry Nilsson und Elliott Smith – mit den Mitteln von Heute. Angenehm irisierend-psychedelisch. Retro-Sound mit dem man gut, ja, bestens leben kann. Auch hier müssten sich die Film+Serien-Soundtrack-Zusammensteller die Finger lecken – nach emotionalen Stücken wie „The Day“ oder „Dream State“. (7,9 von 10 Punkten)
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Communicant - The Day (Official Video)
KASABIAN – Happening
Es ist das mögliche Festival-Album der Saison: die wie immer hymnische neue Kasabian. „Happenings“ heißt die neue Platte der Briten, die von Disco über Stadion-Indie und krachigen Rock-Nummern alles liefert, was ankommt – und die einen an einer Stelle auch richtig umpusten kann – bei: How Far Will You Go. (7,0 von 10 Punkten)
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Coming Back To Me Good
ALOE BLACC – Rock My Soul - Volume II
Der Soul-Sänger mit zwei Cover-EPs voller Grunge+Indie-Hits. Wir kennen den Afro-Amerikaner durch seinen Hit „I Need A Dollar“ von 2010. Seither ist er ein gefragter Gast-Sänger und Duett-Partner – selbst bei Mainstream-Dance-Hits singt Aloe Blacc mit. Berührungsängste hat er keine – insofern verwundert es auch nicht, dass der schwarze Künstler nun lauter Rock-Hits von weißen Musikern/Bands interpretiert. Auf „Rock My Soul 1 + 2“ – zwei EPs mit je fünf Covers – sind es u.a. Gassenhauer wie „Wonderwall“ (Oasis), „Seven Nation Army“ (White Stripes), „Under The Bridge“ (Red Hot Chill Peppers), „Lithium“ (Nirvana), „Everybody Hurts“ (R.E.M.) „When I Come Around“ (Green Day) oder „Song 2“ (Blur). Und man muss es sagen: es funktioniert. Aloe Blaccs soulig-rockige Versionen machen aus den großen Indie/Alternative/Punk-Hits der 90er gemäßigte Nummern fürs Nebenbei-Hören – ohne dass es Muzak, Gebrauchsmusik, eine Klangtapete, werden würde. Was wohl die Indie-Cover-Königinnen von Nouvelle Vague dazu sagen..? (7,6 von 10 Punkten)
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Everybody Hurts
JEFF MILLS – The Eyewitness
Experimentelles Album des Detroit-Techno-Pioniers auf seinem Label Axis Records. Mills hat mit dem Band-Projekt Underground Resistance Musikgeschichte geschrieben: sie lieferten eine kompromisslose Anti-Corporate-Rave-Attacke. Später machte er sich als DJ-Hexer einen Namen: er mixte gern mit drei Schallplatten am Mischpult und feuerte das Vinyl nur so hinter sich, hatte er es aus dem Mix genommen. Z. T. haben Fans haben für ihn die Platten in der DJ-Kanzel dann aufgesammelt. In letzter Zeit hat er den Club weitgehend hinter sich gelassen und arbeitet lieber konzeptionell - mit FilmemacherInnnen, Orchestern oder dem inzwischen verstorbenen Afro-Beat-Pionier Tony Allen. Sein neues Album handelt von Trauma und Schockwirkung. Wie immer ohne Worte – sondern mit seinem instrumentalen, elektronischen Sound – der nicht kühl, sondern eher warm daherkommt. Und herrlich entrückt. Bestes Beispiel bzw Track: „Hold And Command“, zu dem man sogar tanzen kann. Oder sagen wir tänzeln. Klasse Kopfkino. Und so spooky. (8,0 von 10 Punkten)
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JEFF MILLS - THE EYEWITNESS LP 2x12 [BLACK] (AX117)
LUPE FIASCO - Samurai
Hey, HipHop was geht!? Das ist ja mal empathisch: einer der großen US-Rapper (Stücke wie ´The Show Goes On´ - mit dem Modest Mouse – Float On - Sample haben mehr als 300 Mio Plays) versetzt sich tatsächlich in eine Frau. Lupe Fiasko widmet sein neues, neuntes Album Amy Winehouse. Der Rapper aus Chicago stellt sich vor, wie es gewesen wäre, wenn die englische Neo-Soul-Queen Battle-Rapperin geworden wäre. Warum? Winehouse hat einmal zu ihrem Produzenten gesagt: „Ich komme immer wieder mit Battle-Raps heraus und sie sprudeln nur so aus mir heraus. Wie Wu-Tang-Zeug. Wenn du das nächste Mal zu mir kommst und ein Battle-Rap-Off haben willst, werde ich dich töten. Weil ich ein Samurai bin." Deshalb klingt die neue Mini-LP von Lupe Fiasco so klasse & soulful. Ohne, dass er sie samplen oder covern würde. Man höre und genieße „Samurai“, „Mumble Rap“ oder „Cake“. Einfache Idee, tolles Ergebnis. Wir merken: Empathie im Rap ist ausbaufähig. Schön, dass Wasulu Muhammad Jaco – sein Vater war Teil der Black Panther Party – mal wieder mit toller Musik Schlagzeilen macht – und nicht wie zuletzt mit seinen zwei Fashion-Labels oder wenn er Sneakers designt. (8,2 von 10 Punkten)
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Lupe Fiasco - Samurai (Official Music Video)
OREGLO – Not Real People
Das Debüt der neuen Londoner Jazz-Band, die von Gilles Peterson gesignt wurde – dem britischen Jazz/Soul/Global Pop-Zampano. Für den Label-Boss und „Worldwide“-Radio-Moderator bringen Oreglo die elektronische Phase von Miles Davis mit John McLauglins Jazz-Fusion und Londoner Neo-Soul zusammen. Und auch für dubby Reggae-Elemente ist Platz bei dem Quartett. Es sind echte Leute, mit einer echten Vision! (7,4 von 10 Punkten)
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comet (feat. Bel Cobain)
Various Artists - soFa - Elsewhere CC
Das Bongo Joe-Label mit einer Compilation des Brüsseler DJs. DJ soFa sucht unterschiedlichste Nummern aus diversen Global-Pop-Genres zusammen: vor allem Soca-Disco, Afro-Latin, Outer-Jazz, Cosmic und alle Arten von tropical grooves. Die Perlen stammen aus Trinidad, Brasilien, Dominikanische Republik, UK – aber auch Portugal und Polen. Bzw. von den 70ern bis Heute. Es ist bereits der neunte Sampler seiner „Elsewhere“ – ein einfacher Weg, um zu erfahren, was „anderswo“ läuft. Feierlicher Höhepunkt: die 80er-Nummer „Sabrosito As“ von Calypso+Soca-Trompeter Errol Ince, ein Musiker aus Trinidad & Tobago, Jahrgang 1938. Das quietschige Soca-Synthie-Disco-Teil mit den funky Bläsern und dem „allez, allez“-Chor vertreibt jeden Regenschauer des Sommers 2024. (7,3 von 10 Punkten)
KIASMOS - II
Olafur Arnalds + Janus Rasmussen, das isländische Elektronik-Duo, lässt es wieder klickern und klackern. Sie vermischen Streicher mit Piano-Sounds und geloopten Beats. Das experimentelle Techno-Projekt Kiasmus gibt es seit 2009 – beide arbeiten nebenher für Film, Fernsehen, Theater und Werbung. Arnalds ist durch die Zusammenarbeit mit Bonobo auch schon Grammy-nominiert – auch mit Nils Frahm kooperierte er. „II“ kommt dichter, räumlicher daher – wie sie sagen - und sollte auch Fans von Jon Hopkins gefallen. Wie z. B. der nach vorne gehende Track „Bound“ – hat das Zeug dazu, eine kommende Hymne des Sad Disco-Genres zu werden. Arnalds, der zwischen Island und Indonesien pendelt, hat auch traditionelle balinesische Percussion-Instrumenten eingeflochten. Janus steuerte Field-Recordings mit Tiergeräuschen bei. Das Ergebnis kann sich hören lassen: selbst der Elektro-kritische Iggy Pop hat das Duo in seine Radio-Show auf 6Music eingeladen. Am 20.9. stellen sie das Album in Köln (Stadthalle), am 21.9. beim Reeperbahn-Festival Hamburg und am 26.9. in Berlin (Columbiahalle) vor. Dann wird ihr Diamant-Logo über den Fans schweben. (7,7 von 10 Punkten)
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Kiasmos - Sailed (Official Visualiser)
THE FELICE BROTHERS – Valley of Abandoned Songs
Das passt: Conor Oberst von den Bright Eyes veröffentlicht das neue Album der New Yorker Folk-Troubadoure mit ihrem unnachahmlichen Jingle-Jangle-Sound und der leicht näselnden Stimme. Der Albumtitel – „Tal der vergessenen Lieder“ macht Sinn: Ian Felice hat alte Demos durchgehört. Als er Conor erzählte, dass er die alten unveröffentlichten bzw. nun fertig gestellten Lieder erstmal „nur“ ins Netz stellen will, war der mit einem Angebot zur Stelle und gründete ein neues Label dafür: ´Million Stars´. „Ich mochte die Band schon immer, da sie etwas Sonderbares und Geheimnisvolles hatten. Als wir uns 2007 kennenlernten, waren sie erst Freunde und bald Familie. Ich habe ja schon zwei frühere Platten auf ´Team Love´ rausgebracht, ein Label, an dem ich beteiligt war. Nun eben das dritte Label – ich kann sie nicht aufgeben.“ Danke, Conor – jedes der 13 Stücke ist das neue Label wert: lauter leise Indie-Folk-Perlen. (7,5 von 10 Punkten)
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Tomorrow Is Just A Dream Away
KLANGKOLLEKTOR – Dub Tapes Volume 1
Das sehr entspannte (elektronische Dub-)Debüt des Nürnberger Musikers Lars Fischer – bekannt unter anderem als Drummer der fränkisch-argentinisch-niederländischen Cumbia-Rock-Band Trak Trak: es wird schon in UK gefeiert. Von „völlig fesselnden Stücken“ ist da die Rede, ferner von „Hazy dub“ aus dem „Isolations-Tank“ bzw. „den Echokammern von Kruder & Dorfmeister oder den futuristischen Studios von Düsseldorf/Detroit“ „eine Platte von traumwandlerischer, balearischer Schönheit“ mit „Satie-artigem Meditativ-Piano“ in die man „hineinschmelzen kann“. Das DJ-, Presse- und Plattenladen-Lob von der Insel ist absolut verdient: wir hören das freundlichste Geplucker seit Langem. Fischer, der Mischer, der auch für Theater und Film arbeitet, streift auch gern mit dem Field Recordings-Mikro durch seine Stadt. Es perlt und flufft dich an, und biegt rechtzeitig vor plätschernder Gebrauchs-Muzak ab. Und am Ende zwitschert es bei „Baund“ gar ein wenig: ein SloMo-Acid-Dub-Track. Lars dehnt die Zeit – man verliert komplett das Zeitgefühl: Mist, schon wieder den nächste Termin im Kalender übersehen! „Dub Tapes Volume 1“ ist ein Repeat-Kandidat sprich Heavy Rotation. Bestes Album aus BY 2024 so far. (8,3 von 10 Punkten)
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Globulus