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Paul Watzlawick Das Thema

Stand: 18.11.2013 | Archiv

Mit Leichtigkeit...

Paul Watzlawick gilt als "fröhlicher" Wissenschaftler, der die Grenzen der Fachwissenschaft und der etablierten Disziplinen mit Leichtigkeit überwindet. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - stellt er Zusammenhänge her zwischen seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und seinen populären Büchern, so z. B. durch folgende Aussagen:

  • Die Möglichkeit des Glücks liegt in der Aufgabe der Idee, man müsse Glück erreichen. Man kommt dann möglicherweise zu der Einsicht, dass die Suche allein am Nichtfinden schuld war.
  • Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben (nach Epiktet).
  • Das Leiden lässt sich gerade dadurch lindern, dass man die Suche nach Patentlösungen aufgibt.

Wirklichkeiten als Konstrukte

Paul Watzlawick gilt als Vertreter des "radikalen Konstruktivismus", d. h. er stellt menschliches Wissen um "die eine" Wirklichkeit in Frage. Zwar gibt es nach Meinung der Konstruktivisten so etwas wie Wirklichkeit, doch können wir Menschen uns auf sie immer nur durch Konstruktionen beziehen, d.h. durch individuelle Deutungen, die keinerlei Anspruch auf Wahrheit haben. Dabei wird unterschieden zwischen der Wirklichkeit erster Ordnung (die Art, wie die Sinnesorgane mir die Welt um mich her vermitteln) und  der Wirklichkeit zweiter Ordnung (Bedeutung und Sinn, den ich diesen Eindrücken zuschreibe). Die therapeutische Konsequenz, die er zog, bestand darin, mit seinen Klienten zu einer "reiferen, unabhängigeren und weniger leidvollen Sicht der eigenen Existenz vorzudringen".

Axiome der Kommunikation

In seiner wissenschaftlichen Arbeit stellte Watzlawick fünf Axiome (verhaltensmäßige Grundsätze) auf, die die Basis seiner Auseinandersetzung mit gestörter Kommunikation bilden.

  • Die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren
  • Kommunikation findet immer zugleich auf einer Inhalts-/Objekt- und einer Beziehungsebene statt.
  • Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen bedingt, d.h. ein Kommunikationsablauf wird von Sender und Empfänger unterschiedlich gegliedert und interpretiert.
  • Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Das bedeutet, dass nicht nur das gesprochene Wort (in der Regel digitale Kommunikation), sondern auch die non-verbalen bzw. analog-verbalen Äußerungen etwas mitteilen.
  • Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder asymmetrisch/komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.

In scharfer Abgrenzung zu Sigmund Freud und der Psychoanalyse versucht er den Menschen nicht von dessen Vergangenheit her zu begreifen (Wie soll man Geschehenes ungeschehen machen?), sondern in seinen gegenwärtigen Beziehungen zur Welt. So wird für ihn, was als psychische Krankheit bezeichnet wird, zu einer "Funktion menschlicher Beziehungen, nicht aber kranker Seelen", und die Aufgabe des Therapeuten besteht darin, in ein Spiel ohne Ende einzugreifen, seine Regeln zu modifizieren, um ein "Chaos von bizarren Ausmaßen" zu entwirren.

Keine Glücksbringer

Von Utopisten und Glücksbringern hält Watzlawick wenig, auch weil sie historisch betrachtet schon zu oft Unglück gebracht haben. So hat er, in Anlehnung Heraklits Gedanken von der "Einheit in der Vielfalt" darauf hingewiesen, dass ein Zuviel des Guten stets ins Böse umschlage. Zuviel Patriotismus erzeugt Chauvinismus, zuviel Sicherheit erzeugt Kontrolle und Zwang, zuviel Buttercremetorte macht Übelkeit.


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